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Des Satans Schatten

Des Satans Schatten

Titel: Des Satans Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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Lügen nicht gewöhnt sind. Dann kamen wieder dieses raue Geräusch und das Schaukeln des Körpers, zu dem die Ketten im Takt klirrten. Obwohl ich noch eine Weile wartete, blickte Scharmann nicht einmal mehr in meine Richtung. Er hatte sich selbst in Trance versetzt, und ich war überzeugt, dass ich hier und heute nichts mehr erfahren würde.
    Indessen, es passte zu dem, was ich mir schon gedacht hatte und was eigentlich auch auf der Hand lag. Wie sollte ein einzelner Mann mit ganzen Gruppen von Reisenden fertig werden? Auch die in seiner Behausung aufgefundenen Leichenteile, Kleidungsstücke und sonstigen Habseligkeiten der Opfer belegten nichts anderes. Ich hatte lediglich eine Bestätigung für den Grafen gewollt, dass wir es hier mit einem Menschen und eben keinem Werwolf zu tun hatten.
    Scharmann war eine Bestie und die Menschheit gezwungen, sich von ihr zu befreien. Trotzdem wurde ich die Vorstellung nicht los, dass auch er einst als kleines Kind gespielt, gesungen und gelacht hatte, wahrhaftig geliebt von seiner Mutter und der Stolz seines Vaters. Doch morgen würde das alles keine Rolle spielen. Ich kannte das Urteil. Morgen würden sie ihn erst an einen Pfahl binden und mit drei glühenden Zangen reißen, danach aufs Rad binden und die Glieder zerstoßen, bis er endlich mit einem Strick erwürgt würde. Dass man das Rad anschließend aufrichten und zur Warnung von Mördern und Viehdieben ausstellen würde, bis von ihm nichts mehr übrig war, sollte er wohl kaum merken, aber die Spanne vom Anlegen der ersten Zange bis zum Eintritt des Todes würde eine Ewigkeit währen.
    Deshalb zog ich aus meinem Gürtel einen winzigen Beutel mit einem Pulver, das mir mein Freund Ossenstert auf meinen Wunsch gemischt hatte, als ich noch als Spion und professioneller Mörder im Dienste des Franz von Waldeck gestanden hatte. Beim Ausführen seiner Aufträge musste ich beständig darauf gefasst sein, mich in einer Lage wiederzufinden, in der der Tod weitaus gnädiger erschien als das Weiterleben.
    Ich drehte meinen Rücken zur Gittertür, um den Wachen den Blick zu versperren, und schob meine Gabe rasch in den Lendenschurz des Gefangenen. »Ich hoffe, du hast mich nicht belogen.« Scharmann zeigte keine Reaktion, und ich wusste nicht, ob er mein Tun überhaupt bemerkt hatte.
    Dann war ich froh, dass ich zu Licht und Luft zurückkehren konnte.
    Als mir die Wächter die Tür öffneten und mich hinausließen, sahen sie mich nicht an, sondern hielten ihre Blicke zu Boden gesenkt. Vermutlich, weil sie zu meiner großen Freude befürchteten, ich könnte aus einer Laune heraus ihre Schädel doch noch Bekanntschaft mit der Kerkermauer machen lassen. Es mag kindisch erscheinen, meine ernsthaften Freunde, aber ich muss gestehen, dass dieses Empfinden meine Stimmung nicht unwesentlich verbesserte.
    Es war allerdings nicht das Lächeln auf meinem Gesicht, das die Menschen, denen ich zunächst auf der Straße begegnete, dazu brachte, sich nach mir umzudrehen und die Nase zu rümpfen. Es war der Gestank des Kerkers, der meiner Kleidung anhaftete, bis ich mich in einer unbelebten Seitengasse wie eine Vogelscheuche in den Wind gestellt und ordentlich hatte durchblasen lassen.
    In Gedanken über das eben Erlebte versunken, durchwanderte ich die mir fremde Stadt und schlenderte zum Tor hinaus, bis ich mich auf einer großen Wiese am Ufer der Lippe wiederfand, auf der es seltsam geschäftig zuging. Marktstände wurden aufgebaut und Zimmerleute errichteten eine kleine Tribüne. Als ich mich ihnen in keiner besonderen Absicht näherte, sah mich ihr Vorarbeiter mit bedauerndem Blick an. »Tut mir wirklich Leid, aber es ist längst alles vergeben. Ich glaube nicht, dass noch einer davon zurücktreten und seinen Platz freimachen wird. Auch nicht, wenn Ihr ihm das Doppelte und Dreifache bietet.«
    Als ich in die Gegenrichtung sah, wusste ich auch, was der Mann meinte. Dort war bereits die hölzerne Plattform mit Pfahl und Rad fertig gestellt, auf der Scharmann morgen um die Mittagsstunde zu Tode gebracht werden sollte. Auch das Kohlebecken hatte man schon hinaufgebracht.
    Auf dem Schafott kletterten kreischende Kinder herum, halbherzig ermahnt von ihren scherzenden und vor Neugier förmlich platzenden Eltern, die nur zu gerne mit ihnen getauscht hätten. Da sich schon einiges an Volk eingefunden hatte, waren auch die ersten fliegenden Händler vor Ort, die solche Gelegenheiten witterten wie Fliegen das Aas. Sie boten aus ihren Kiepen kleine Brote und

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