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Des Satans Schatten

Des Satans Schatten

Titel: Des Satans Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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sein als dem Leben. Seine Handgelenke in den Fesseln waren blutiger Schorf, zwischen dem aus rohem Fleisch Wundwasser hervorsickerte. Die verkrümmten, breiigen Finger hatten ihre jetzige Form durch die Anwendung der Daumenschrauben erhalten. Und schmutzige Verbände an Oberarmen, Rumpf und Schenkeln zeigten dort, wo sie sich verschoben hatten, dass dem Delinquenten beim Schnüren das Fleisch beinahe bis auf die Knochen durchgesägt worden war.
    Bevor ich bei diesem Anblick ein Wort hervorbringen konnte, musste ich mir wiederholt die Taten vor Augen halten, derer er überführt worden war, um ihn nicht aus Barmherzigkeit auf der Stelle zu töten.
    »Kannst du sprechen? – Kannst du mich überhaupt verstehen?«
    Scharmann hörte auf, seinen Körper hin und her zu wiegen, und hob und drehte seinen Kopf, als könne er mich nicht sehen, sondern wittern. Schließlich fixierte er mich aus Augen, in denen das Weiße einem Rot aus geplatzten Adern gewichen war. Seine Antwort auf meine Fragen bestand aus einem leisen, lang anhaltenden Knurren, dem endlich ein knappes Nicken folgte. Sein Unterkiefer klappte herunter und seine Zunge schob sich aus dem Mund. »Durst!«
    Ich sah mich unwillkürlich nach einer Trinkgelegenheit um und entdeckte außer einem leeren Napf eine hölzerne Schale mit einer dunklen Masse, die sich als die Reste von gesalzenen Heringen herausstellte. Die Schweinehunde hatten ihm dieses Zeug und nichts zu trinken gegeben, um seine Qualen noch zu vergrößern.
    Auch nach meiner Vorstellung hatte Scharmann sein Leben verwirkt. Das sollte jedoch niemandem das Recht geben, so viehisch mit ihm zu verfahren.
    Ich trat an das Gitter, streckte eine Münze hindurch und herrschte die Wächter an: »Bringt Brot und einen Krug Wein, und beeilt Euch!«
    Die einzige Reaktion, die ich darauf erfuhr, war ein dümmliches Gelächter, gefolgt von dem Kommentar: »Oh, der hohe Herr wünscht mit dem Menschenfresser zu tafeln. Der hohe Herr wünscht Beeilung. Der hohe Herr ...«
    »... wird deinen dämlichen Schädel an der Kerkermauer zerschmettern und dich eigenhändig an dieses Wesen hier verfüttern, wenn mein Befehl nicht auf der Stelle ausgeführt wird. Und ich will einen Schemel für mich, oder soll ich mich etwa in diese Scheiße hocken?«
    Augenblicklich verschwand die Münze aus meiner Hand, und wenig später stand alles parat, wie von mir gewünscht.
    Die Ketten waren kurz genug, Scharmann auf Distanz zu halten, doch er zerrte mit Macht an ihnen, kaum, dass der Wein in seine Sicht gekommen war. Ich wollte kein Risiko eingehen und schob das Brett, auf dem Essen und Trinken standen, mit der Scheide meines Rapiers zu ihm hinüber. »Dies sollte genügen, um dir zu beweisen, dass ich es nicht schlecht mit dir meine. Stärke dich zunächst, und dann beantworte meine Fragen. Natürlich kann ich dein Leben nicht retten, doch kann ich dir vielleicht eine letzte Wohltat erweisen, wenn du nur ehrlich zu mir bist. Glaube mir, du wirst sie zu schätzen wissen.«
    Es war nicht die Nahrungsaufnahme eines Menschen, die sich mir darbot, hier schlang ein wildes Tier in sich hinein, was es erbeutet hatte. Den Wein spülte Scharmann durch seine salzgequälte Kehle, als sei er Wasser. Zwischen den einzelnen Schlucken murmelte er unverständliches Zeug, aus dem lediglich ein »wie Blut, wie frisches Blut« herauszuhören war. Das Brot stopfte er in beinahe faustgroßen Brocken in sich hinein.
    Das alles brauchte nicht viel Zeit, sodass ich bald beginnen konnte. »Und nun pass auf, was ich dir zu sagen habe!«
    Zwar hatte Scharmann seine anfängliche, verkrümmte Position wieder eingenommen und hatte auch wieder damit begonnen, sich hin und her zu wiegen, doch war ich mir sicher, seine Aufmerksamkeit gewonnen zu haben. Also berichtete ich von den Befürchtungen des Grafen, vom Verschwinden von über hundert Leuten, von den aufgetauchten Gegenständen und auch von den merkwürdigen Teufelsbotschaften. Im Laufe meiner Rede gab er nur gelegentlich das mir schon bekannte Knurren von sich, blieb aber ansonsten still.
    Als ich zu Ende war, einige Minuten des Schweigens vergangen waren und ich nicht mehr damit rechnete, von ihm mit einer anderen Lautäußerung bedacht zu werden, blieb er plötzlich still sitzen und sagte mit unerwartet klarer Stimme: »Es waren drei, nur drei, die ich getötet und gegessen habe. Von allen anderen weiß ich nichts.« Beim letzten Satz wandte er den Kopf ab, wie es jene Menschen häufig zu tun pflegen, die das

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