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Des Satans Schatten

Des Satans Schatten

Titel: Des Satans Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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zur Richtstätte eskortiert, dort mit Zangen gerissen und anschließend gerädert wurde. Besonders diese Geschmacklosigkeit fand enormen Absatz.
    In der Nähe der Tribüne entdeckte ich auch den Mann wieder, der mir gestern auf der Kerkertreppe entgegengekommen war. Auch er bot seine Ware feil, jedoch nicht in der aufdringlichen Art seiner Zunftgenossen. Was er als Musterexemplar hochhielt, waren in der Manier eines Wegeplanes gefaltete Stahlstiche menschlicher Portraits. Obwohl er sich ruhig verhielt und nicht einmal durch Gebärden oder Grimassieren auf sich aufmerksam machte, konnte er sich der Aufmerksamkeit und des Zuspruchs der Umstehenden sicher sein. »Lerchenbrink hat er abgebildet, den Kirchenräuber, der ...« und »Hast du Derflinger gesehen mitsamt der Tochter, den Blutschänder und Gattenmörder? Schade, dass sie gerade noch fliehen ...« sowie »als sähe man sie lebendig vor sich.« So viel zustimmendes Gemurmel erweckte meine Neugier, sodass ich hinzutrat, um seine Werke näher in Augenschein zu nehmen. Unter der Überschrift »Malefikanten aus dem Niedervest und den angrenzenden Regionen – ganz wahrhaftig und getreulich abkonterfeit« fanden sich dort die Brustbilder von etwa fünfzehn Personen, die alle wegen unterschiedlichster, doch immer schwerster Verbrechen abgeurteilt worden waren. Die meisten waren Mörder, aber es waren auch Räuber, Sodomiter und Inzestler unter ihnen. Das letzte Bild zeigte Scharmann, so genau, wie ich ihn gestern vor mir gehabt hatte.
    Ich kaufte zwei Ausfertigungen des Bilderreigens. Eine für den Grafen von Crange, damit er sich im wahrsten Sinne des Wortes selbst ein Bild von seinem Werwolf machen konnte. Die andere war für meine Zenobia bestimmt. Die Gesichter sollten sie beständig daran gemahnen, vorsichtig gegenüber Fremden zu sein und sich nicht vom trügerischen Schein einer ansprechenden Erscheinung leiten zu lassen. Denn, meine skeptischen Freunde, seid versichert, die meisten dort Dargestellten sahen nicht anders aus als ihr oder ich.
    Ich war froh, als wir uns endlich zu unserem Platz durchgekämpft hatten. Beste und sogar kostenlose Aussicht für die darob heftigst beneideten Gäste des Fiscaladvocaten. Keine zwanzig Schritte vor uns erhob sich das Schafott, auf dem im Kohlebecken die Glut schon entfacht war. Richter, Ankläger und Ratsherren fehlten dort ebenso wenig wie der unvermeidliche Priester, die sich alle ihrer Funktion wohl bewusst waren und deshalb eine angemessen bedeutungsvolle Miene zur Schau trugen.
    Zu unseren Füßen wogte die Menge hin und her, durch die sich eine schmale, von Wachen mit ihren quergehaltenen Spießen mühevoll freigesperrte Bahn zog. Nach einer Weile wurden die Wellen aus Haaren, Hüten und Kappen ruhiger, die sich vereinzelt an den Kindern brachen, die auf den Schultern ihrer Väter saßen, und verebbten schließlich vollends, als aus der Stadt die Arme-Sünder-Glocke herübertönte. Mit ihrem Klang erlosch auch jeglicher Lärm, der sich zuvor wie eine erstickende Decke über den Platz gelegt und jede Unterhaltung mit einer Person, die mehr als drei Schritte entfernt war, unmöglich gemacht hatte.
    Es wurde so still, dass man die Pferde heranschnaufen hören konnte, die den Todgeweihten auf einer Kuhhaut zu seiner letzten Vorstellung schleiften. Scharmann, genau wie gestern nur mit seinem Lendenschurz bekleidet und weiterhin mit den Schellen gefesselt, sah noch jämmerlicher aus als bei unserer ersten Begegnung. Diesem Wesen haftete nichts Dämonisches an, das hier war nur ein Haufen Fleisch und Knochen, in dem bald kein Leben mehr wohnen würde. Der Weg vom Kerker bis hierher über Stock und Stein, durch nichts gemildert als das dünne Leder, war für sich schon eine kaum erträgliche Tortur. Angesichts der zuvor auf der Folter erlittenen Verletzungen und Wunden, die durch diese Behandlung wieder aufgebrochen waren, grenzte es an ein Wunder, dass er noch bei Bewusstsein war.
    Unter dem rhythmischen Schlag von Trommeln ergriffen zwei Schergen den armen Teufel und trugen ihn mehr die Treppe hinauf, als dass sie ihn bei seinen eigenen Bemühungen unterstützten. Sobald sie ihn oben auf der Plattform losließen, sank er wieder in seine Kauerstellung zurück, die ich schon aus dem Verlies kannte.
    Nach ihm stieg der Henker mit seinen drei Gehilfen empor, die alle ihr Gesicht mit sackartigen Kapuzen verhüllt hatten. Als hätten sie mit ihrem Opfer nichts zu schaffen, schritten sie an ihm vorbei und postierten sich neben

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