Des Satans Schatten
mutmaßlichen Verschwindens zu knüpfen.
Allein, es ließ sich kaum ein gemeinsamer Nenner aller dieser Einzelschicksale herausfiltern.
Da waren es reiche Kaufleute aus dem Norden des Landes, und dort gab es herumvagabundierende Bettler, die es in der Kälte des Winters wieder zurück in den Süden zog. Glasbläser aus dem Osten waren ebenso dabei wie Leinweber aus dem Westen. Da waren es junge Frauen, dort alte Männer, und umgekehrt. Es waren Wanderer, Reiter, Wagenlenker. Greise und Kinder, Bürger und Leibeigene.
Außerdem war es nicht immer nur der Pferdemarkt von Crange gewesen, der sie angezogen hatte. Leute waren auf dem Heimweg von einer Kirchweih in Dülmen, andere kamen von der Hochzeit eines vermögenden Bauern aus Hattingen.
Es ergab keinen Sinn.
Erst, als ich alle Daten bereits das fünfte Mal miteinander verglichen hatte, kristallisierten sich einige Punkte heraus, von denen ich jedoch nicht einmal erahnte, ob als System oder als bloßer Zufall.
Mir fiel auf, dass es, war eine Gruppe von Menschen betroffen, nie mehr als sechs Personen zu Fuß oder mehr als zwei Berittene waren. Handelte es sich um Frachtwagen, wurden diese von nicht mehr als zwei Reitern eskortiert. Dies war allen Fällen gemein, und Bertram hatte insgesamt das Schicksal von dreiundsechzig Personen erfasst.
Natürlich hatte der umsichtige Mönch auch Berichte derjenigen gesammelt, die gleich mit der Suche vor Ort betraut worden waren. Doch auch die entsprechenden Protokolle waren unergiebig, denn nicht einmal von den sperrigen, langsamen Wagen waren auch nur ein Rad oder eine Deichsel mehr gesehen worden.
Der Wappengürtel aus Dorsten bildete die große Ausnahme, aber der war Scharmann zuzurechnen.
Andererseits, war nicht sein Eigentümer Merselen Mitglied eines kleinen Trecks, der zu den verschwundenen zählte?
Es half nichts, meine Gedanken drehten sich im Kreis. Allmählich wurden meine Augen trübe, und mein gekrümmter Rücken schien zu versteinern. Ich reckte mich, bis meine Knochen knackten und das Blut mit prickelndem Kitzeln durch meine eingeschlafenen Beine pulsierte. Ich spürte sehr deutlich, dass ich längst die nötige Bettschwere erreicht hatte. Hohe Zeit, dem gemarterten Hirn eine Ruhepause zu gönnen.
Aber gerade, als ich mich anschickte, das Licht zu löschen, ließ sich vom Fenster ein leises Klicken vernehmen. Jemand warf kleine Steine gegen die Scheibe.
Mir war die Vorsicht der frühen Jahre so in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich zunächst den Leuchter bis auf eine einzige Kerze ausblies und ihn so auf dem Boden platzierte, dass kein Schein von hinten auf mich fiel. Dann näherte ich mich, dicht an die Wand gepresst, seitlich dem Fenster, bis ich mit einem Auge hinausspähen konnte. Unten, bewaffnet mit einer abgeblendete Laterne, stand mein Freund Ossenstert und gestikulierte, dass ich ihn endlich hereinlassen sollte.
Über dem stundenlangen Lesen hatte ich unsere Verabredung völlig vergessen.
Jetzt zahlte es sich aus, dass ich ohne Rücksicht auf dessen Größe und Ausstattung ein Zimmer gewählt hatte, das über einen separaten Eingang verfügte, wenn man sich seiner auch nur bedienen konnte, indem man eine Außenstiege, eher einer Hühnerleiter als der Treppenflucht einer akzeptablen Herberge verwandt, hinaufkletterte.
Zu unserem Glück hatte er daran gedacht, einen kleinen Krug mit Wein mit sich zu führen, und zu unserem noch größeren Glück brachte er ihn auch heil die Stufen herauf.
Es waren zwar nur steile drei Meter, die mein dicker Freund zu meistern hatte, aber er pustete ganz schön, als er das Zimmer betrat. »Na, Herr Meisterdetektiv, war keine ebenerdige Kammer mehr frei, oder hast du ganz bewusst diesen Söller gewählt, um mich nach Laune schinden zu können?«
»Oh, ich habe dabei nur an deine Gesundheit gedacht. So etwas hält bei guter körperlicher Verfassung. Vielleicht wäre dir die Abfuhr bei deiner unbekannten Schönen erspart geblieben mit etwas weniger Speck um die Rippen – und mit einer geschickter gestohlenen Geschichte.«
»Die Geschichte war ja nur eine Methode, den Grad ihrer Bildung herauszufinden. Außerdem ist sie weder
meine
Schöne noch unbekannt. Sie heißt Gertrudis und ist auf der Burg höchst angesehen. Sie versteht sich auf die Heilmittel der Natur, kennt sich aus im Zusammenspiel der Gestirne und des menschlichen Gemüts, und war stets eine große Hilfe, wenn die Frauen des Dorfes Beistand bei der Geburt ihrer Kinder brauchten.«
Ich konnte
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