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Des Satans Schatten

Des Satans Schatten

Titel: Des Satans Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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Erfolg gekrönt waren. An die hundert Leute waren herbeigelaufen und standen in Gruppen zusammen. Ihnen war das Betreten des Gottesackers einstweilen untersagt, und sie hüteten sich, gegen das Gebot des Herrn von Crange zu verstoßen. Allerdings waren ein paar ganz Schlaue auf die Idee verfallen, mit frischen Blumen aufzukreuzen, die man unbedingt jetzt auf das Grab eines lieben Verblichenen stellen müsse, es würde ja nur wenige Augenblicke dauern. Den Wachen rang ein solcher Versuch nicht einmal mehr ein Lächeln ab.
    Wir durften selbstverständlich passieren und wurden unverzüglich zu einem steinernen Schuppen gebracht, der im Schatten der Kirche direkt an der Friedhofsmauer stand. Er diente zur Aufnahme von allerlei Gerätschaften, die zur Pflege des Geländes benötigt wurden, und enthielt für den Fall des plötzlichen Ablebens bedauernswerter Zeitgenossen auch einige rohgezimmerte Särge. Trotz des hellen Sonnenlichts wurde der Raum nur spärlich erhellt durch ein winziges Fenster, das hoch oben in der Wand saß und über die nahe Mauer hinausragte.
    Hierher hatte man vernünftigerweise auch den Sarg mit Bruder Bertram geschafft, den man so den neugierigen Blicken der Masse entzogen hatte und der es einem mit infernalischem Verwesungsgestank dankte, so überwältigend, dass es mich auf der Schwelle verharren ließ. Ich hatte in meinem Leben wahrlich genug Leichen gesehen, von denen die meisten in einem besseren Zustand waren als dieser tote Mönch. Auf eine nähere Betrachtung konnte ich gut verzichten.
    Von ganz anderer Wesensart war dagegen mein Freund Ossenstert, der sich so dicht über den Leichnam gebeugt hatte und buchstäblich an ihm herumschnüffelte, als sei er die Quelle sämtlicher Wohlgerüche eines orientalischen Serails.
    Außer ihm waren hier drinnen nur der Graf und sein Verwalter anwesend, die sich so weit abseits wie möglich hielten und auch sonst den Eindruck vermittelten, nur aus reinem Pflichtgefühl die Stellung zu halten.
    Ich selbst war ebenfalls nicht begierig, dem Leichnam und seinen Ausdünstungen zu nahe zu kommen, ihn auch nur mehr als oberflächlich zu betrachten. Daher fiel mir als Einzigem auf, dass sich der schwache Lichtschein bisweilen kaum merklich veränderte, und dass, obwohl der Himmel wolkenlos war. Irgendetwas musste draußen vor dem Fensterchen hocken und einen Schatten werfen.
    Froh darüber, meinem Verdacht nachgehen und dazu den Raum verlassen zu können, drückte ich mich ohne Eile wieder zur Tür hinaus und bewegte mich auch sonst gemessenen Schrittes, um keinen Argwohn zu erregen. Leider kostete diese umsichtige Vorgehensweise zu viel Zeit, und als ich schließlich um die Ecke bog und auf die Mauer spähen konnte, gewahrte ich noch soeben eine schemenhafte Bewegung, die blitzartig von der Mauerkrone verschwand. Ich hatte den Eindruck, den diffusen Umriss einer weiten Kutte erkannt zu haben, hätte dies aber ehrlicherweise nicht beschwören können. Gehört hatte ich nichts.
    Als ich wieder eintrat, war Ossenstert immer noch in seinem Element. Er war so weit über die Leiche gebeugt, dass er sie allen Blicken entzog. Ich bin der festen Überzeugung, dass dies keiner der Anwesenden bedauerte.
    Ihr erinnert euch, meine geruchsempfindlichen Freunde, dass sich Freund Johannes bei ähnlichen Gelegenheiten getrocknete Lavendelblüten in die Nasenlöcher zu stecken pflegte. Ich nahm mir vor, ihn später danach zu fragen, warum er ausgerechnet hier darauf verzichtet hatte.
    Als er endlich mit der Examination der Leiche fertig war, zog er vorsichtig das Messer heraus, das ihr in die Brust gestoßen worden war. Er wischte es am Leichentuch ab, übergab es dem Grafen mit einem Achselzucken, und verkündete mit sichtlich enttäuschter Miene: »Ein billiges Messer, wie es in jedem Haus und auf jedem Hof zu finden ist. – Es tut mir Leid, Euch sagen zu müssen, dass ich auf nichts gestoßen bin, das nicht auch schon vorher bekannt war.«
    Grund genug, uns von diesem unfreundlichen Ort zu entfernen und alle in Richtung Burg in Marsch zu setzen, nachdem der Graf angeordnet hatte, man möge den Sarg wieder verschließen und ihn im Schutze der Nacht, wenn die Scharen der Sensationslüsternen abgewandert waren, ein zweites Mal vergraben.
    »Warum, glaubt Ihr, begeht jemand eine so frevelhafte Tat, eine so ungeheuerliche Leichenschändung? Ich habe davon gehört, dass man in den östlichen Ländern Toten, die man für Vampire hält, einen angespitzten Pflock durch das Herz

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