Des Satans Schatten
mir ein Lachen nicht verkneifen. »Dafür, dass du erst so kurz hier bist, weißt du über eine Schöne, die nicht
deine
Schöne ist, aber eine ganze Menge. – Hoffentlich hat dir bei deinem Gebalze deine Anleihe bei Äsop nicht geschadet.«
Ossenstert musste ebenfalls lachen und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach, was soll’s, von solchen harmlosen Dieben wie mir ist unsere Welt doch voll. Und eine verlorene Schlacht ist noch lange kein verlorener Krieg. Im Übrigen«, dabei sah er mich auf eine schelmische Weise vorwurfsvoll an, »bin ich ein Mann des Geistes, wie du weißt. Was sollte also der despektierliche Hinweis auf meine achtungsgebietende Erscheinung. Ein dürrer Stammler vermag nicht halb so zu beeindrucken wie ein gut gebauter Plauderer, schon gar nicht, wenn er nur von seinen Schandtaten zu berichten weiß.«
Ein nur halb so gut gebauter Plauderer wäre allemal ausreichend, um zu beeindrucken, aber diese Anmerkung schenkte ich mir. »Genug der gewechselten Schmeicheleien. Wir sollten nicht vergessen, weswegen wir hier sind.«
»Wohl wahr.« Damit legte er eine dünne, versiegelte Schriftrolle vor mich hin.
»Dieses Pergament hier habe ich unter dem Hemd des Toten gefunden, und es müsste wahrhaftig mit dem Teufel zugehen, wenn es sich da schon seit seiner Ermordung befunden hätte. Dann hätte es nämlich unsichtbar sein und so fest an ihm kleben müssen, dass nicht einmal die Leichenwäscherin es herunter bekommen hätte. Ergo, Herr Agent, hat man sie ihm später untergeschoben. Aber warum? Ohne meine genaue Untersuchung hätte man Bertrams Sarg alsbald wieder verschlossen und hinabgelassen, Erde drauf und Schluss. Niemand hätte dieses Schriftstück je zu Gesicht bekommen. Wenn man es verschwinden lassen wollte, warum nicht simpel verbrennen? Wenn man es aber bekannt machen will, warum übergibt man es nicht gleich der betreffenden Person?«
»Die Fragen hast du bereits selbst beantwortet, du gut gebauter Mann des Geistes. Einerseits verbergen, andererseits offenbaren, genau dieses Wechselspiel ist beabsichtigt. Die Aufzeichnungen sollten gefunden werden, aber nicht von irgendwem, sondern von dir beziehungsweise von uns. – Ich bin der festen Überzeugung, dass derjenige, der das Risiko der Leichenschändung auf sich nahm, bewusst diese Gefahr einging, weil er so mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte. Primo, er gewährleistet, dass die Papiere in die richtigen Hände kommen. Secundo, er weist uns durch das Messer in Bertrams Brust darauf hin, dass der Mönch seiner Auffassung nach eines gewaltsamen Todes gestorben ist. Tertio, durch die Exhumierung schafft er eine Situation, die dich in die Lage versetzt, die vorher unzugängliche Leiche doch noch in Augenschein zu nehmen und vielleicht doch noch die exakte Todesursache zu ergründen. Quarto, der Mummenschanz mit all den nach sich ziehenden Gerüchten ist so gewaltig, dass die erste allgemeine Verunsicherung nur vergrößert wird und von ihm selbst ablenkt.«
Ossenstert strich bedächtig sein Haupthaar zurück. »Da könntest du tatsächlich Recht haben. Und das bedeutet, dass ...«
»Dass – secundo – der Schreiber als sicher davon ausgeht, dass Bertram ermordet worden ist. Womit wir zwingend bei tertio wären. Also, hast du etwas in dieser Richtung entdecken können?«
Jetzt hatte ich endlich Zeit, zwei Becher von einem Bord an der Wand zu nehmen und sie aus Ossensterts Krug zu füllen.
»Äääähh, jein. – Ich habe nichts an der Leiche entdeckt, was mir eine hilfreiche Erkenntnis vermittelt hätte. Die Verwesung war einfach zu stark fortgeschritten.«
Diese erinnernden Worte ließen sofort wieder jenen typisch süßlich-widerlichen Geruch meine Nase ausfüllen, und ich beeilte mich, einen ersten Schluck Wein hinunterzustürzen.
»Was hingegen noch zu erkennen war, deckte sich zur Gänze mit der Beschreibung, die uns Rodger geliefert hat und die von allen anderen Zeugen bestätigt worden ist. Aufgequollene Zunge, geplatzte Adern in den Augen und so weiter. Tatsächlich alles Folgen einer Strangulation, der aber die entsprechenden Würgemale am Hals fehlen. Es ist wie ... wie ... aber das ist zu weit hergeholt. – Ich kann mir schon vorstellen, dass da mancher auf den Satan als Mörder tippt.«
»Sprich nicht in Rätseln, Medicus. Dass das dämliche Volk dem Teufel selbst jeden Hagelschlag in die Hufe schieben möchte, ist mir klar. Doch nicht so ein beeindruckend gebauter Mann des Geistes wie du. – Nun
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