Des Satans Schatten
der bedeutende Pferdemarkt, der sich über die Jahre etabliert hat und sich ständig vergrößert. Vor diesem Hintergrund bin ich davon überzeugt, dass sich das Unheil nun auf diese Gegend konzentriert, und wir das Geheimnis auch nur hier lüften können.«
Ich massierte mir unwillkürlich wieder meine Beule. »Wart Ihr davon überzeugt, dass Euch unser kleiner Rodger dabei von Nutzen sein könnte, oder warum wolltet Ihr ihm die gleiche freundliche Einladung überbringen lassen wie mir?«
Mein Gegenüber nickte bedächtig. »Dieser kleine Mann kann durchaus mehr wissen, als man annehmen mag. Möglicherweise sogar mehr, als ihm selber bewusst ist. Er bewegt sich ungezwungen überall im Schloss, genießt das Vertrauen des Grafen und ist auch bei den Dorfbewohnern beliebt. Ich wollte ihn dafür gewinnen, Bertrams Platz einzunehmen. Doch nun ...«, dabei lächelte er auf die gewinnende Art eines wohlbeleumundeten Winzers, der es nicht nötig hat, seine Kunden von der Güte seines Weines zu überzeugen, »hat mit Euch ein wahrer Fachmann die Bühne betreten, sodass mir all die anderen Gestalten entbehrlich erscheinen. – Und falls Ihr Euch in der Lage fühlt, noch heute Nacht einen harten Ritt hinter Euch zu bringen, will ich Euch den Beweis liefern, dass es für uns eine erste Spur gibt. Möglich, dass auch Ihr dann anders über die Wolfsdämonen denken werdet.«
»Wolfsdämonen?«
Sein Lächeln war nun verschwunden und seine Miene so ernst, wie es der Sache angemessen war, als er mir seine offene Hand entgegenstreckte. »Wartet nur ab. Tut Euch mit uns zusammen, und ich verspreche Euch, dass es Euer Schaden nicht sein wird. Gemeinsam werden wir beide an unser Ziel kommen. – Doch ich will Euch nicht überrumpeln. Entscheidet erst, wenn wir unseren Besuch gemacht haben. Wollt Ihr mich dazu begleiten?«
Die Erfahrung hatte mich gelehrt, dass es oft am besten war, eine Aufgabe ganz alleine zu erledigen. Handelte es sich bei meinem Gegenspieler aber um eine Macht, die in der Lage war, Dutzende, vielleicht Hunderte von Menschen einfach im Nichts verschwinden zu lassen, wäre es im höchsten Maße töricht, auf diesem Prinzip zu beharren. Daher schlug ich ohne langes Zaudern ein.
Die Zeugin
Umringt von saftigen Wiesen bot das frisch geweißte Fachwerkhaus mit seinen rothölzernen Stallungen inmitten der Obstbäume ein friedvolles, anheimelndes Bild. Eine Sau mit etlichen Ferkeln wälzte sich zufrieden in einer abseits gelegenen Suhle, zwei mittelgroße Hunde tollten durch das Sonnenlicht, und ein kleiner Junge neckte eine schwarzweiße Katze, die nicht müde wurde, einem Schilfkolben hinterherzurennen, den er immer wieder im letzten Moment vor ihren Krallen wegzog.
Ein Bild, so friedlich, dass es mir in dieser Zeit vollkommen unwirklich vorkam.
Degusti und ich hatten am Waldrand Rast gemacht und so lange gewartet, bis die Sonne aufgegangen war und sich auf dem Bauernhof in der welligen Senke erstes Leben zeigte. Dann ritten wir hinunter.
Ich hatte am Abend zuvor seinen Rat befolgt und war gar nicht erst zum
Güldenen Apfel
zurückgekehrt, sondern hatte mich gleich in seinem Lager für ein paar Stunden hingelegt, bevor wir uns kurz vor Mitternacht unter einem vom Vollmond erhellten Himmel auf den Weg in Richtung Köln gemacht hatten. Unser Ziel war dieses prächtige Gehöft, das in einiger Entfernung und außer Sicht von der Handelsstraße lag.
Als wir das Ende des sachten Hangs erreicht und uns den Gebäuden bis auf etwa fünfzig Schritt genähert hatten, kamen uns aus dem Hauptgebäude zwei Männer entgegen. Ein dritter, den ich zuvor nicht wahrgenommen hatte und der eine riesige, lackschwarze Dogge am Strick führte, tauchte aus dem Schatten der Stallungen auf und gesellte sich wortlos dazu. Die beiden waren mit Degen und Dolch bewaffnet, der mit dem Hund hielt eine Armbrust in der anderen Hand. Zusätzlich steckte ein Dolch in seinem Gürtel.
Eindeutig keine Knechte auf dem Weg zur Feldarbeit, sondern Männer, denen das Schädeleinschlagen weniger Mühe machen sollte als das Strohdreschen. Ich war froh, dass Degusti diese Leute kannte.
Es war nicht einmal ein fragender Blick von meiner Seite aus nötig, mein Begleiter antwortete auch so. »Sie ist, soweit ich weiß, immerhin die einzige lebende Zeugin. Wenn es auch nicht sonderlich verständlich ist, was sie zu sagen hat. Sie ist außerdem das einzige Kind ihres Vaters. Der ist weiß Gott kein armer Mann und kann sich diese Bewachung leisten.«
Degusti
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