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Des Satans Schatten

Des Satans Schatten

Titel: Des Satans Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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hatte mir unterwegs von Anna berichtet, der jungen Frau, die ich hier treffen sollte. Sie war vor vier Jahren mit zwei Begleitern von Köln aufgebrochen, um Freunde in Haltern zu besuchen. Als man sie in einem Heidegebiet vor den Toren der Stadt fand, war sie allein und hatte nichts bei sich als das, was sie auf dem Leibe trug. Offensichtlich hatte sich ihr Geist verwirrt, denn sie war nicht in der Lage, auch nur eine halbwegs brauchbare Erklärung für ihren Zustand zu liefern. Ihr Vater hatte sie daraufhin auf einem einsamen Gehöft untergebracht, wo er sie Tag und Nacht bewachen und betreuen ließ.
    Ein großes Begrüßungszeremoniell war nicht gefragt, dies hier war eine eingespielte Truppe. Daher genügte ein knappes Nicken in die Runde, um zum Wesentlichen zu kommen. Der Hundeführer wies mit dem Kopf die Richtung. »Sie ist hinter dem Haus beim Weiher.«
    Nachdem Degusti ein Leinensäckchen aus seiner Satteltasche genommen hatte, gingen wir außen an den Gebäuden vorbei und kamen so zu einem größeren Tümpel, der auf der Obstwiese als Tränke für die Tiere diente. An seinem Rand saß auf einem gepolsterten Schemel eine junge, ungewöhnlich dicke Frau, fast noch ein Mädchen, die seltsame Tonfolgen vor sich hin summte und leuchtend grüne Frösche bei ihrer Jagd auf schlanke Libellen beobachtete. Dabei quakte sie verschiedentlich selbst, als wolle sie sich mit den Lurchen unterhalten. Immer, wenn es einem der glitschigen Gesellen gelang, im Sprung ein Insekt zu erbeuten, juchzte sie kurz auf, rief entzückt »Fröschchen, Fröschchen« und klatschte in die Hände, bevor sie ihren Singsang fortsetzte.
    Sie sah nicht auf, als wir neben sie traten. Die einzige Reaktion, die unser Erscheinen bei ihr hervorrief, war ein rhythmisches Wiegen des Kopfes und Anheben der Töne.
    Für Degusti war dies offenbar nicht neu. Er redete mit leiser Stimme besänftigend auf sie ein und hielt ihr einen Beutel hin, in dem sich kleine Rosinenbrötchen mit glänzendem Zuckerguss befanden.
    Dies schien sich wie ein Erkennungszeichen auszuwirken. Ihr Gesang verstummte, das Wiegen hörte auf, und während sie sich mit einer Hand aus dem Säckchen bediente, drückte sie mit der anderen Degustis Arm und rief fröhlich, ohne die Frösche dabei aus den Augen zu lassen: »Mein Oheim, mein Oheim ist wieder bei mir. – Erzählst du mir wieder eine Geschichte?«
    Degusti nickte mit einem warmen Lächeln und bedeutete mir zugleich mit einer versteckten Handbewegung, ein wenig Distanz zu halten. »Natürlich, mein liebes Kind, natürlich. Du musst uns aber hinterher auch eine Geschichte erzählen. Hier, ich habe extra meinen Freund mitgebracht, dem ich von dir berichtet habe. Er ist schon ganz begierig darauf, deine Geschichte vom Schattenhaus zu hören. Wirst du uns diesen Gefallen erweisen, Anna?«
    Das Mädchen richtete seinen Blick zum ersten Mal auf mich. Alte, ausdruckslose Augen im bildschönen Gesicht einer jungen Frau. An dem Tag, an dem sich ihr Geist verwirrt hatte, musste es ihren Eltern das Herz zerrissen haben.
    Ich wanderte um den Weiher herum und hörte dabei Bruchstücke aus der Geschichte vom Streit zwischen einer weisen Eule und einem eingebildeten Frosch, der hier am Tümpel lebte und sich für einen Vogel hielt, weil er es geschafft hatte, auf einen Baum zu klettern. Als er zu fliegen versuchte, landete er mit seiner Schnauze im Matsch, was nicht nur die Eule in der Fabel, sondern auch Anna so belustigte, dass sie nunmehr Degusti ihre ganze Aufmerksamkeit schenkte. Der nutzte diese Gelegenheit und rief mich schnell heran.
    »Nun musst du aber auch dein Versprechen halten und meinem Freund etwas erzählen. Ich weiß, dass dich die Geschichte vom Schattenhaus ängstigt, aber es ist sehr wichtig.«
    Sie streifte mich nur mit einem kurzen Blick und wandte sich wieder den Fröschen zu. Doch sie begann zu sprechen.
    »Es war stockfinster. Paul war dabei. Heinrich hat mich vom Bock gezerrt und unter einen Dornbusch gestoßen. Aber das Schattenhaus hat ihn erschlagen. Dann kamen die Wolfsdämonen mit den glühenden Augen. Alles hat gestunken, und dann das viele Blut.«
    An dieser Stelle versagte ihre Stimme, und nachdem sie einige Male geschluckt hatte, fuhr sie mit ihrem Singsang fort. Degusti legte noch einmal den Arm um sie, drückte ihr zum Abschied einen Kuss auf den Scheitel und nahm mich mit einer Entschuldigung heischenden Miene beiseite. »Es ist immer dasselbe. Mehr ist aus ihr nicht herauszubringen. Ich wollte aber,

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