Des Satans Schatten
Kirche rütteln, wird nur zu klar, dass die Vorausschauenden am Heiligen Stuhl eine schnelle Lösung finden mussten. Sie fanden eine, denn auf dem Boden dieser Erkenntnis wurde die geheime Gesellschaft Umbra Diaboli geschaffen, deren Abgesandten Ihr hier vor Euch seht.« Dabei erhob er sich und wies mit einem Schmunzeln im Gesicht mit beiden Händen von oben nach unten an seinem Körper entlang, wie es mit eingezogenem Bauch ein Fettsack tut, der damit prahlt, seinem Wanst seit einer Woche den Krieg erklärt zu haben.
Ich passte mich seiner Fröhlichkeit an. »Des Teufels Schatten? Ein merkwürdiger Name für eine christliche Organisation.«
Er wiegte skeptisch den Kopf. »Oh, zunächst ist ein Name wohl immer eine Sache des Geschmacks, und über den lässt sich bekanntlich nicht streiten. Und obendrein nicht gar so merkwürdig, wenn Ihr es von der praktischen Seite aus betrachtet. Der Schatten ist etwas, das kein Wesen jemals verliert. Mag es sich auch noch so lange in tiefster Finsternis verborgen halten, sobald es ans Licht muss, ist unweigerlich auch sein Schatten da. Und so wie der Schatten an jedem klebt, kleben auch wir am Teufel und werden ihn verfolgen, sobald er sich zeigt.«
Nun war es an mir, eine gewisse Skepsis an den Tag zu legen. »Nach Euren Worten von eben hatte ich die Überzeugung gewonnen, dass Ihr nicht erwartet, einen bocksbeinigen Gehörnten aus dem Dunkeln springen zu sehen.«
»Ich meine auch nicht einen Teufel aus Fleisch und Blut, sondern sein Imago in der Vorstellung der Menschen. Wir sind dazu da, mit dem, was sich das Volk als Teufelswerk und satanisches Wirken erklärt, ein Ende zu machen, bevor dieses Feld von der Inquisition beackert wird. Und wenn es nur darum geht, eine Kuh zu heilen, die keine Milch mehr gibt, damit die Nachbarin nicht länger verdächtigt wird, sie mit einem Schadenszauber belegt zu haben.«
Weil ich gerade wieder einen Schluck genommen hatte, musste ich so losprusten, dass mir der Wein in die Nase stieg. »Fürwahr eine verdienstvolle und gefährliche Aufgabe, die das Geschick eines erfahrenen Kämpfers erfordert, noch dazu in allergeheimster Mission.«
Wider Erwarten ließ sich der Italiener von meinem fröhlichen Spott nicht anstecken. Vielmehr wurde sein Gesicht so ernst, wie ich es bei ihm noch nicht gesehen hatte.
»Es geht nicht immer nur um eine kranke Kuh oder einen untreuen Ehemann. Ich bin mit meinen Leuten hier, weil Menschen spurlos verschwunden sind und außerdem weiter südlich eine Handvoll Leichen aufgefunden wurden, die aussahen, als habe sie ein Werwolf zerfetzt.«
»Ja und? Was Werwolf oder Teufel angeht ... ich dachte, wir sind uns einig, was davon zu halten ist. Und Menschen verschwunden ... das gibt es so lange, wie es Menschen gibt. Ich verstehe, dass der Graf es sich zu Herzen nimmt, weil er ein rechtschaffener Mann ist, der im Pferdemarkt seines Ortes einen Grund sieht, der die Leute angelockt hat. Kehren sie anschließend nicht wohlbehalten nach Hause zurück, sucht er einen Teil der Schuld bei sich. Aber das ist, bei allem Respekt vor ihm, Unsinn. Ich halte das Verschwinden, berücksichtigt man den Zeitraum von Jahren, fast schon für natürlich.«
»Haltet Ihr es auch für natürlich, dass es mittlerweile über vierhundert sind, von denen jede Spur fehlt?«
Ich verschluckte mich ein zweites Mal, diesmal allerdings nicht vor Spaß. »Über vierhundert? Ist das möglich?«
»Nicht nur möglich, sondern sicher, geht man in der Rechnung an die zehn Jahre zurück und bezieht auch die umliegenden Gegenden mit ein. Weil sich die einzelnen Fälle weit über das Land verteilt ereigneten, hat zunächst niemand einen Zusammenhang gesehen. In die Bereiche zu vieler Herren war eingegriffen worden, von denen jeder sein Süppchen für sich kochte. Letztlich war es dann die Vielzahl der Verschwundenen, die die Unruhe im Volk schürte und damit uns auf den Plan rief. – Meine Leute und ich dürfen uns rühmen, bei unseren früheren Missionen ausgesprochen erfolgreich gewesen zu sein. Aber hier stehen auch wir vor einem Rätsel, das uns zwingt, zum kleinsten Strohhalm zu greifen. Was sich für mich im Lauf der Zeit herauskristallisiert hat, ist, dass das Verschwinden immer Hand in Hand mit Ereignissen geht, die von einiger Dauer sind und verlässlich eine große Zahl von Menschen anziehen. Nehmt zum Beispiel eine Fürstenhochzeit, die über viele Monate vorbereitet werden muss und jede Menge Fremde an den Ort lockt. Hier und jetzt ist es
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