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Des Sieges bittere Tränen

Des Sieges bittere Tränen

Titel: Des Sieges bittere Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Galopp an, den Kopf vorgestreckt, mit wehender Mähne und fast waagerechtem Schweif, ein Bild von ungeheurer Kraft und hinreißender Schönheit. Die Mauer, keine Holzattrappe wie auf dem Parcours, sondern Felssteine, deren obere Schicht nicht herunterfiel, wenn man sie berührte, sondern an der die Knochen brachen, wenn Laska nur einen Millimeter zu niedrig sprang.
    »Hoch, Olle!« brüllte Romanowski. Er war aufgesprungen und warf beide Arme empor. Deckungslos stand er am Rande des Kessels, eine Zielscheibe für die Banditen. »Hoch!«
    Laska visierte die mörderische Mauer an. Ihr Körper streckte sich noch mehr, Kopf, Hals und Rücken bildeten fast eine gerade Linie, und dann stieß sie sich ab, legte alle Kraft in die Hinterhände, schnellte hoch in den Himmel, schwebte über der Mauer, zog alle vier Beine dicht unter ihren Bauch. In diesem Augenblick war sie kein Pferd mehr, sondern ein goldbrauner, glänzender Schatten in der Sonne, keine Handbreit höher fegte sie über die Mauerkrone und federte auf der anderen Seite elegant auf den Boden.
    Mit ausgebreiteten Armen rannten Hartung, Angela und Romanowski ihr entgegen. Laska warf den Kopf hoch und wieherte triumphierend. In diesem Moment, als sie in Sicherheit war, brüllte Juan Socorro sein Kommando:
    »Hacer fuego!«
    Von allen Seiten dröhnten die Schüsse. Das Maschinengewehr ratterte. Handgranaten explodierten auf der Weide. Es war ein imposanter Feuerzauber, aber niemand wurde verletzt. Alle Schüsse wurden bewußt vorbeigezielt, denn die vier Banditen standen mit hocherhobenen Armen an der Mauer und dachten gar nicht an Widerstand.
    Polizeichef Socorro war zufrieden. Als stürme er eine Festung, rannte er mit seinen Polizisten hinunter in den Talkessel. Von allen Seiten kamen sie, stolz über diesen Sieg.
    »Ihr räudigen Hunde!« schrie unten Socorro die zitternden Banditen an. »Ich verspreche euch, daß ihr vor Hunger noch die Wanzen in eurer Zelle freßt!«
    Am Abend berichteten der mexikanische Rundfunk und das Fernsehen über die Festnahme der Bande. Socorro gab eine dramatische Schilderung seines Kampfes auf Leben und Tod mit den Räubern und warf sich stolz in die Brust, als der Oberbürgermeister von Mexiko City ihm ein Geschenk überreichte, eine goldene Medaille, die man ihm an die Uniform heftete, vor den Augen von Millionen Fernsehzuschauern. Fernandez y Laredo saß in seinem palastähnlichen Haus, trank Orangensaft und hatte die Hände gegeneinander gelegt. Hinter ihm stand der lange, dürre Pedro Calabozo. Er hatte ängstliche Augen.
    »Wie konnte das passieren?« fragte Laredo.
    »Madonna, ich weiß es nicht, Caballero. Es war der sicherste Ort. Jemand muß ihn verraten haben.«
    »Kennen die Verhafteten meinen Namen?«
    »Gar keine Rede. Sie haben nur mit mir zu tun. Sie sehen in mir den Chef. Aber ich habe ihnen einen falschen Namen genannt. Und bar bezahlt.«
    »Also keine Gefahr für uns?«
    »Gar keine, Caballero.«
    »Dein Glück, Pedro. Der Weg zurück ist kurz.«
    »Ich denke immer daran, Caballero. Ich lebe ganz von Ihrer Güte.« Calabozo schluckte. Die Armut, dachte er. Madre de Dios, ich will nie wieder so arm sein wie damals, als ich Schlangen fraß und irgendwo auf der Erde schlief. Und wenn ich dem Herrn die Füße lecken müßte – ich täte es.
    »Stell ab«, sagte Laredo, als Laska und Hartung ins Fernsehbild kamen. Calabozo drehte den Knopf, das Bild zerrann. »Ich will mir den Genuß, Laska zu sehen, aufheben. Wir werden morgen beim Springen dabeisein.«
    Am nächsten Tag saß der ehrenwerte Fernandez y Laredo auf der Tribüne des Azteken-Stadions neben dem Oberbürgermeister und dem Minister des Inneren. Er war umgeben von der Elite Mexikos, lauter einflußreichen Männern, deren Namen jeder kannte. Polizeichef Socorra musterte sie alle und seufzte ergeben. Einer von ihnen ist der Erzgauner, dachte er, aber es wird nie herauskommen. Mit ihren Millionen decken sie alles, und das Gesetz ist machtlos.
    Er steckte sich einen Zigarillo an, verzichtete darauf, die hohen Herren weiter zu mustern, und widmete sich dem Turnier auf dem wunderbaren grünen, aber harten Rasen.
    Um 17 Uhr 16 gewann Hartung auf Laska den ›Großen Preis von Mexiko‹ und 50.000 Dollar.
    Siebzigtausend Mexikaner jubelten sich die Kehlen wund, unter ihnen auch Fernandez y Laredo. Wie nach einem Stierkampf schleuderte er seinen weißen Hut in das Stadion. Hartung und Laska ritten rund um die Ränge und Tausende von Papierschnipseln regneten auf sie

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