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Des Sieges bittere Tränen

Des Sieges bittere Tränen

Titel: Des Sieges bittere Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zu schwärmen begannen, warum sollte er anders sein als die meisten Männer, die allein nach Paris kommen?
    Paris im Sommer, das ist der Inbegriff von Leben. Das sind sonnendurchglühte Boulevards, blühende Gärten, Angler an den Seineufern, durchsichtige Kleidchen, mit Menschen übersäte Wiesen, ein Troß von Kinderwagen, Kühle spendende Brunnen, ein Hauch von Blüten und heißen Benzindünsten.
    Der Etagenkellner betrat das Zimmer. Nanu, dachte er. Das Bett ist unberührt, aufgeschlagen, wie es das Zimmermädchen abends herrichtet. Der Schlafanzug lag ausgebreitet, aber unbenutzt auf dem Kopfkissen. Monsieur Hartung ist gar nicht nach Hause gekommen. Wer weiß, wohin ihn das Glück verschlagen hat?
    Er fuhr den Servierwagen mit dem Frühstück vor das Bett, denn bestellt ist bestellt, deckte den kleinen Tisch am Fenster, stellte eine kleine Vase mit blaßrosa Moosröschen zwischen Marmelade und Schinkenplatte – eine Aufmerksamkeit der Hotelleitung, denn Blumen am Morgen schaffen eine Atmosphäre von Zufriedenheit und Wohlbefinden, blickte dann noch einmal auf das unberührte Bett und verließ so diskret das Appartement, als habe er Hartung in den Armen einer unbekannten Schönen aufgeweckt.
    Um neun Uhr rief Fallersfeld bei Hartung an. Er ließ dreimal durchklingeln und legte dann knurrend auf.
    »Das gibt es doch nicht«, sagte er. »In einer halben Stunde beginnt das Training.« Er steckte sich eine Zigarre an, rauchte vier Züge und machte sich dann auf den Weg zu Zimmer 245. Es lag auf einem anderen Gang. Fallersfeld spazierte an einer Reihe von Zimmern vorbei, deren Türen offenstanden und aus denen schon das Geräusch der Staubsauger klang, blieb dann vor Hartungs Zimmer stehen und klopfte laut an.
    Keine Antwort. Fallersfeld schüttelte den Kopf, hatte weniger Skrupel als der Etagenkellner, betrat ohne weitere Anmeldung das Appartement und sah sofort den Frühstückstisch und das nicht benutzte Bett.
    »Das ist neu!« sagte Fallersfeld und setzte sich auf einen der roten Plüschsessel. »Er bummelt vor dem Turnier. Himmel, muß es ihn gepackt haben. Die ganze Nacht! Junge, dich kaufe ich mir!«
    Er griff zum Telefon, ließ sich mit Winkler und dann mit Schockemöhle verbinden, fragte, ob sie Hartung gesehen hätten, und erfuhr, daß Hartung über Kopfschmerzen geklagt hätte und bald ins Bett wollte. Winkler sah ihn in der Hotelhalle noch mit einer eleganten Dame sprechen. Es schien, als wollte sie von ihm ein Autogramm haben.
    »Aha!« rief Fallersfeld. »Meine Ahnung!«
    »Ich glaube es nicht, Baron.« Winklers Stimme klang bestimmt. »Horst war in mieser Laune. Er wollte sich schlafen legen. Der hat sich gestern abend bestimmt nicht für eine Frau interessiert.«
    »Aber er liegt nicht in seinem Bett! Hat die ganze Nacht nicht drin gelegen! Das Frühstück steht herum, der Kaffee ist kalt.« Fallersfeld nahm mit spitzen Fingern eine Scheibe rohen Schinken, rollte sie zusammen und schob sie in den Mund. »Ganz zart und mild gesalzen.«
    »Was?« fragte Winkler entgeistert. »Die Frau?«
    »Der Schinken, Hans-Günther. Solltest du mal probieren.«
    »Was ist mit Horst?«
    »Weiß ich es? Er ist weg! Irgendwo in diesem schönen Paris wird er in einem nach Parfüm duftenden Weiberbett liegen.«
    »Glauben Sie das, Baron?«
    »Wo soll er sonst sein? Hier hat er jedenfalls mit Sicherheit nicht geschlafen.«
    »Vielleicht ist wieder irgend etwas mit Laska los, und er hat im Stall übernachtet.«
    »Das werden wir bald wissen.« Fallersfeld legte auf. Er seufzte, aß noch eine Scheibe Schinken und trank einen Schluck kalten Kaffee. »Laska«, sagte er gedehnt. »Dieser Name ist jedesmal wie ein Hammerschlag auf meinen Kopf. Natürlich ist wieder was mit Laska passiert.«
    Aber das war ein Irrtum. Als die deutsche Equipe nach dem Frühstück auf dem für den ›Prix Rothschild‹ hergerichteten neuen Turnierplatz im Park von Saint-Cloud erschien, waren alle Pferde bereits bei der Morgenarbeit. Romanowski ritt Laska wie immer etwas abseits von den anderen Pferden in allen Gangarten durch, lockerte sie und übte ein paarmal das Herumreißen während des Galopps. Hartung nannte es schlicht ›fliegende Wende‹, eine Spezialität von Laska, die beim Stechen immer wertvolle Zehntelsekunden damit herausholte.
    Fallersfeld schob die Sportmütze in den Nacken. Sein rundes Gesicht war ratlos. »Fehlanzeige, Jungs«, sagte er. Zum erstenmal klang seine Stimme bedrückt. »Laska ist in Hochform, und Hartung ist

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