Des Sieges bittere Tränen
verschollen! Mit dem Zug um 10 Uhr 27 trifft Angela auf dem Gare du Nord ein. Ich weiß, ich weiß, ihr habt jede Menge Ausreden parat und könnt Horst mit Alibis eindecken, aber Angela ist hellhörig für Lügen. Sie merkt alles, sie sieht es ihm einfach an. Und wenn er sich dreimal heiß badet, sie riecht das fremde Parfüm.« Fallersfeld winkte mit beiden Armen. »Pedro!«
Romanowski ritt im Arbeitstrab heran und ließ Laska vier Schritte vor Fallersfeld stehen. Die beiden haßten sich, es gab dafür keine Erklärung. Wer kann in eine Pferdeseele blicken? Romanowski hatte die Zügel fest in der Hand, die Ohren Laskas zuckten hin und her.
»Herr Baron?«
»Wo ist Hartung?«
»Weeß ick det? Ick denke, Se bringen ihn mit?«
»War er gestern noch spät abends im Stall?«
»Nee, Herr Baron.«
»Sie haben ihn nicht mehr gesehen?«
»Nich 'n Fatz von ihm.«
»Merkwürdig.« Fallersfeld wandte sich ab. Er schob die Unterlippe vor und dachte angestrengt nach. Es war das erstemal, daß Hartung unpünktlich war. Es würde auch das erstemal sein, daß er einer Frau wegen das Training versäumte. Aber alles passiert irgendwann zum erstenmal. »Wenn er um elf Uhr nicht hier ist«, sagte Fallersfeld und sah auf seine Armbanduhr, »haben wir Grund, unruhig zu werden.«
Es wurde elf, es wurde halb zwölf, Horst Hartung tauchte nicht wieder auf. Das Bewegungstraining war längst vorüber, die Pferde wurden gestriegelt und gefüttert, die Reiter standen am Rand des Parcours und sahen dem Aufbau der Hindernisse zu. Bei den Italienern wurde gefeiert, ein Sektkorken knallte, irgend jemand hatte Geburtstag. Die Engländer saßen abseits und hörten sich einen Vortrag ihres Trainers an. Die Schweden waren schon zu ihrem Hotel gefahren. Die Russen standen am Parcours und fotografierten die Hindernisse.
»Es ist etwas passiert«, sagte Fallersfeld. Seine Stimme klang brüchig. »So schön kann eine Frau gar nicht sein, daß Horst nicht mehr an seine Laska denkt. Mein Gott, wenn er doch noch ausgegangen und auf dem Montmartre schweren Jungs oder was weiß ich in die Hände gefallen ist! Jede Nacht werden erlebnishungrige Fremde niedergeschlagen und beraubt. Hamburg, London, New York oder Paris, in dieser Beziehung ist es überall dasselbe!« Fallersfeld sah sich im Kreise seiner Reiter um. »Polizei? Was meint ihr?«
Von den Ställen kam Romanowski gelaufen. Schon von weitem schrie er: »Nischt, Herr Baron. Im Hotel ist er nich! Aba er muß dajewesen sein.«
»Was sagen Sie da?« rief Fallersfeld. »Er war im Hotel?«
»In seinem Zimmer. Ick hab den Etagenkellner am Telefon jesprochen. ›War in Zimmär‹, sagt er. ›Hat gegessen zwei Scheiben Schinken.‹ Aba jesehen hat ihn keener.«
Fallersfeld verzog das Gesicht, nickte und wandte sich ab. Über den fehlenden Schinken gab er keine Erklärung ab. Das kann man den Ermittlungsbeamten immer noch stecken, dachte er. Polizei! Es bleibt uns keine andere Wahl. Horst Hartung ist in Paris verschollen.
Inspektor Jacques Labois nahm die Ermittlungen und Verhöre so diskret wie möglich auf. Er betrachtete kurz das unberührte Bett, hörte geduldig zu, wie Fallersfeld seinen Reiterstar Hartung als einen überkorrekten, pflichtbewußten, immer pünktlichen Menschen schilderte, dem es nie in den Sinn käme …
»Bon, très bien«, sagte Inspektor Labois. »Ein vollkommener Mensch ohne Fehler, den gibt es nicht.« Er sprach französisch mit Fallersfeld, denn der Baron beherrschte die Sprache, als sei er irgendwo an der Loire geboren. »Monsieur le Baron, denken wir zuerst daran, daß Monsieur Hartung einen Parisbummel machte.«
»Er kennt Paris. Er braucht nicht mehr zu bummeln! Und Montmartre interessiert ihn nur kunstgeschichtlich. Paris als Stadt der Liebe ist für ihn nicht existent.«
»Als Mann?« Labois lächelte milde. »Na, na.«
»Nicht na, na, Inspektor. Hartung ist verlobt, glücklich, seine Braut ist jung und hübsch.«
»Ich habe Männer kennengelernt, die waren mit der schönsten Frau verheiratet, besaßen Millionen, und ich holte sie aus schmierigen Hinterzimmern heraus, wo sie mit Weibern der übelsten Sorte … Bon, Ihr Hartung ist anders. Glauben wir es. Wo aber kann er dann sein? In Paris? Nachts? Mon cher Baron, ein unberührtes Hotelbett in Paris kann nur bedeuten …«
»Wir haben schon erlebt, daß man Reiter mit Entführung oder Tod bedrohte, wenn sie gewinnen!«
»Im Roman, im Kino«, grinste Labois. Fallersfeld begann zu schwitzen, ein untrügliches
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