Des Sieges bittere Tränen
Ihre Beine, dachte sie, ihre wertvollen Beine. Nach dieser wahnsinnigen Jagd über die Chaussee wird sie nie wieder springen können. Ihre Gelenke werden anschwellen wie Ballons. Auf dieser Chaussee stirbt das Wunderpferd Laska …
Elise atmete auf. Sie war allein auf der Straße. Laska war abgehängt, mit jeder Minute vergrößerte sich der Abstand, gewann Elise das ungleiche Rennen. Sie machte schon wieder Pläne. Antibes – die kleine weiße Villa am Mittelmeer. Ererbt von ihrer Mutter, das war ein Liebesnest, wo niemand sie aufstöbern würde. Ein Adlerhorst in den Felsen mit einem Schwimmbecken, in das jeden Tag frisches Meerwasser gepumpt wurde.
Lastwagen kamen ihr entgegen, flogen an ihr vorbei wie Schemen. Schneller, schneller – es geht um Minuten. Hartung muß fort sein, wenn sie das Schloß erreicht. Keiner hat ihn gesehen, keiner. Sie hat nur ein Pferd – ich habe 180 unter der Motorhaube …
Aber Elise blieb nicht lange allein. Eine große schwarze Limousine überholte sie, rauschte an ihr vorbei und verschwand langsam vor ihr im welligen Gelände. Drei unbekannte Männer saßen darin, der vierte, den Elise kennen mußte, hatte den Kopf eingezogen und sich hinter der breiten Schulter seines Nebenmannes versteckt. Wie erwartet warf sie den Kopf herum, als der schwere Wagen sie überholte, aber da es keine Personen vom Turnierplatz waren – die waren anders gekleidet –, wandte sie sich wieder der Straße zu.
Labois setzte sich wieder hoch, als sie Elise aus dem Rückspiegel verloren hatten. »Wer hätte das gedacht?« sagte er kopfschüttelnd. »Man soll die Dame nicht vor dem nächsten Morgen loben!«
Es war alles ziemlich schnell gegangen. Labois hatte mit seinen Leuten gerade den Turnierplatz erreicht, als Laska auf den kleinen roten Wagen sprang und Elise de Béricourt flüchtete. Einer Eingebung folgend, hatte Labois gerufen: »Dem roten Bonbon nach! Lassen Sie das Pferd in Ruhe, das ist mein bester Detektiv!« Dann war die wilde Jagd in vollem Gange, und Labois hielt dabei einen Vortrag über das Seelenleben der Pferde. Es war erstaunlich, was er darüber wußte, denn er hatte nie eine Stunde geritten und außerdem Angst vor Pferden.
Der kleine rote Wagen schleuderte in die Auffahrt von Schloß Béricourt, durchraste den Weg bis zur großen Freitreppe und stoppte dort mit kreischenden Bremsen.
Die große schwarze Limousine wartete bereits. Vier Männer standen davor und zogen höflich die Hüte wie bei einem Begräbnis, wenn der Sarg herankommt. Elise erkannte Inspektor Labois sofort.
»Madame«, sagte er mit allem pariserischen Charme, »es gibt ein Pferd, 180 Pferdestärken und 240. Wir hatten 240 und haben gewonnen. Das Recht des Stärkeren. Wo finden wir Monsieur Hartung?«
Wortlos reichte ihm Elise den Schlüssel. Dann wandte sie sich ab, sprang wieder in ihren Wagen und brauste davon. Labois blickte ihr mit geneigtem Kopf nach. »Wem wird es je gelingen, eine Frau zu begreifen?« sagte er langsam. – »Oder ist das gerade das Besondere an den Frauen?«
Um vierzehn Uhr neunzehn ritt Horst Hartung auf Laska zum ersten Umlauf auf dem Parcours. Laska ging etwas steifbeinig – die Chaussee mit ihrer Asphaltdecke lag ihr noch in den Gelenken.
»Oje«, sagte Fallersfeld und griff sich mit seiner typischen Geste an den Kopf. »Die ist hin! Ave, Laska!«
Sie trabte an, fiel in den Aufgalopp – steif, ganz steif, als sei sie aus Holz geschnitzt. »Ich mache die Augen zu«, stöhnte Fallersfeld. »Wer hält mir die Ohren zu?« Das erste Hindernis, ein Birkenoxer, 1 Meter 50 hoch. Laska sprang ab, streckte sich in der Luft und flog hinüber, als sei der Boden aus Gummi und habe sie abgeschnellt.
Mit vier Fehlern in 65,7 Sekunden gewann Hartung auf Laska den ›Prix Rothschild‹ von Paris. Im zweiten Stechen, als ihm niemand mehr eine Chance gab.
Erst im Stallzelt begann Laska zu zittern. Die vier Hufgelenke schwollen an. Und Romanowski, der starke, harte, ewig knurrende Riese Romanowski, kniete vor ihr, kühlte die Füße und weinte.
»Mein olles Biest«, schluchzte er. »Du dämliches Aas, wenn se dir jetzt bloß nich schlachten. Springen kannste nich mehr, aba ick stell mir vor dir! Erst müssen se den Romanowski vor de Rübe hauen!«
»Ich sehe schwarz«, sagte Dr. Rölle vor dem Zelt. »Hartung, ich brauche Ihnen nichts über Pferde zu erzählen. Hält das, was Laska hinter sich hat, ein Pferd aus?!«
Hartung antwortete nicht. Er wandte sich ab und ging allein um das Zelt
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