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Des Sieges bittere Tränen

Des Sieges bittere Tränen

Titel: Des Sieges bittere Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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begonnen.
Mitten in einem Güterzug standen die vier hohen Transportwagen auf flachen Waggons, durch Seile zusätzlich gesichert, hölzerne Ställe, auf deren lackierten Seiten in großen Buchstaben gemalt stand: »Achtung! Turnierpferde.« Jetzt wurden Laufstege an die Waggons gelegt. Zuerst sollten die Pferde auf festen Boden geführt werden, dann würde man die Spezialwagen von den Ladeflächen rollen und an die großen Zugtraktoren ankoppeln, die ausgerichtet wie zu einer Militärparade auf der breiten Betonrampe warteten.
    Pedro Romanowski stand draußen auf der eisenbeschlagenen Ladefläche und wartete, daß es weiterging. Laska war schon losgebunden und äugte nervös durch die heruntergelassene Luftklappe in den Himmel und über den großen Güterbahnhof.
    Nun standen die Pferde der deutschen Springreiter-Equipe zum erstenmal auf russischem Boden. Moskau. Sawjolowski-Bahnhof. Ein paar hundert Meter vom Dynamo-Stadion entfernt, dieser riesigen modernen Arena, in der es zum Wettstreit zwischen sowjetischen und deutschen Reitern kommen sollte.
    Seit Wochen waren die Karten ausverkauft, seit vier Tagen berichteten alle Moskauer Zeitungen über dieses Ereignis. Ein Name wurde immer wieder genannt, um einen Namen rankten sich Spekulationen, ein Name war bald allen Moskauern ebenso bekannt wie die der Astronauten: Laska, das Pferd, das ›Liebe‹ hieß. Noch bevor sie in Moskau eingetroffen war und Zeitungen und Fernsehen die ersten Bilder von ihr gebracht hatten, war Laska zum Liebling der Russen geworden.
    Aber das alles spielte sich außerhalb des Sawjolowski-Bahnhofs ab. Worüber Millionen Russen sprachen, ließ einen Mann kalt, der wartend vor den schnellen Zugtraktoren stand und kein Kommando gab, die Pferdetransporter zu öffnen und die Pferde über die Laufstege aus den Waggons zu holen: Leutnant der Miliz Igor Michailowitsch Stupkin. Vor den flachen Güterwagen waren seine Leute postiert. Keiner der Pferdepfleger durfte die Rampe betreten. In den Wagen wieherten die Pferde, schlugen gegen die gepolsterten Holzwände. Sie wußten: Wir sind da, wir können raus, wir bekommen Hafer und Heu, Wasser und werden gestriegelt. Warum fällt die große Türklappe nicht?
    Romanowski überwand seine erste Scheu. »Ick mache den Anfang!« rief er den anderen Pferdepflegern zu. »Vielleicht warten die bloß, det eener kommt! Mehr als mir zurückschicken können se nich.«
    »Mensch, Pedro, sei vorsichtig!« rief der Pferdehalter von Wilhelm Pegge. Wilhelm Pegge war neu in der deutschen Equipe, ein junger Reiter aus Münster, der langsam aufgebaut wurde und zwei hervorragende Pferde besaß. »Wir müssen hier ganz kleine Brötchen backen.«
    »Aba ick back welche!« sagte Romanowski. Er klappte die Tür seines Wagens herunter, faßte Laska am Halfter und führte sie auf die Plattform des Waggons. Ihre Hufe klapperten auf dem Eisenboden.
    Die Russen waren zunächst starr vor Staunen. Dann rannte Leutnant Stupkin herbei und wedelte mit den Armen.
    »Stoj!« brüllte er. »Stoj! Nix ausladen!«
    Romanowski zog Laskas Kopf herunter und erkundigte sich: »Warum stoj?«
    »Befehl von Kommandant!« rief Stupkin auf deutsch.
    »Warum Befehl?«
    »Nix wissen.«
    »Warum nix wissen?«
    Stupkin starrte Romanowski an, wurde rot und wandte sich ab.
    »Mensch, geh zurück mit deinem Gaul!« rief der Pfleger von Pegge. »Die werden ihren Grund haben! Mach doch kein Theater!«
    Romanowski ließ Laska draußen auf der Ladefläche stehen, holte aus dem Futtersack zwei Handvoll Hafer und hielt ihn Laska hin. Leutnant Stupkin beobachtete es mit finsterer Miene.
    Nach einer halben Stunde hielt abseits vom Sawjolowski-Bahnhof eine kleine Autokolonne. Horst Hartung, Fallersfeld, Dr. Rölle, Pegge und drei andere deutsche Reiter stiegen aus. Sie wirkten sehr erregt, und Fallersfeld lief zu einem großen, dunklen Moskwitsch, aus dem gemächlich ein Mann in einer blauen Uniform kletterte. Zwei andere Uniformierte folgten ihm. Sie trugen Mappen unter dem Arm, und ihre Gesichter waren maskenhaft starr.
    »Was soll das, Herr Major?« rief Fallersfeld. »Man holt uns aus dem Hotel und fährt uns hierher, und unterwegs erfahren wir, daß die Pferde noch immer auf den Waggons stehen und wie Gefangene behandelt werden! Darf ich um Auskunft bitten?«
    »Sie dürfen, Towaritsch Fallersfeld.« Major Jakow Nikitajewitsch Borolenko lächelte freundlich. »Wir haben einen Wink bekommen.« Er sprach vorzüglich Deutsch. »Verstehen Sie mich bitte. Wenn mir

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