Des Sieges bittere Tränen
jemand etwas zuflüstert, werde ich neugierig. Die menschliche Natur, Towaritsch. Sehen wir nach, ob es stimmt.«
Fallersfeld lief zu Hartung zurück. »Verstehst du das? Er hat einen Wink bekommen! Was für einen Wink? Sollen unsere Pferde etwa krank sein? Doktor, was sagen Sie dazu?«
»Die Pferde sind gesund, topfit und extra für diese Rußlandreise geimpft worden.« Dr. Rölle schüttelte den Kopf. »An den Pferden können die Russen nichts aussetzen.«
»Da hört man es! Und trotzdem stehen die auf den Waggons wie bestellt und nicht abgeholt! Romanowski. Er hat Laska draußen. Als einziger. Horst!« Fallersfeld wirbelte herum. »Wenn dein schrecklicher Gorilla wieder auf eigene Faust – wenn er Schwierigkeiten gemacht hat! Ich, ich …«
»Gehen wir.« Hartung kam dem kleinen, dicken sowjetischen Major entgegen, der, die Freundlichkeit selbst, einladend zu den Güterwagen hinüberwinkte. »Genosse Major, das Pferd auf dem Waggon gehört mir. Laska.«
»Oh, Laska!« Borolenkos Augen glänzten. »Ich bin ein großer Liebhaber des Reitsports. Wer in Moskau kennt Laska nicht? Towaritsch Hartung, nennen Sie mich Jakow Nikitajewitsch!«
Sie gingen über die Schienen bis zu der breiten Rampe, liefen die Treppe hinauf und prallten auf Leutnant Stupkin, der stramm und mit der Hand an der Mütze seine Meldung machte.
»Transport gestoppt. Keine Vorkommnisse. Ein Mann hat ein Pferd mit zwei Handvoll Hafer gefüttert.«
Major Borolenko nickte. Er betrachtete die deutschen Pferdewagen, fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nase, trat näher heran, strich Laska über die Vorderbeine, was sie mit einem Anlegen der Ohren und funkelnden Augen beantwortete, wandte sich dann um und hob mit ehrlichem Bedauern die Schultern.
»Es tut mir leid«, sagte er, »aber ich muß die Wagen beschlagnahmen.«
»Mit Pferden?« fragte Fallersfeld aufgeregt.
»Ohne Pferde.«
»Und warum, Herr Major?«
»Ein Wink.« Borolenko wurde ernst. »Ich erkläre es Ihnen später, wenn wir Beweise haben. Wollen Sie zusehen?«
»Sehr gern, Jakow Nikitajewitsch«, sagte Hartung. »Sie geben uns hier Rätsel auf.«
»Nicht ich. Sie, Towaritschi.« Borolenko rief ein paar Befehle auf russisch. Die Milizsoldaten enterten die Waggons, dirigierten die Pferdepfleger in eine Ecke, lösten die Riegel der großen Klapptüren und ließen sie herunterfallen. Dann griffen sie nach den Pferden.
Fallersfeld rang nach Luft. »Major!« rief er. Er erkannte seine eigene Stimme nicht wieder. »Ich protestiere! Wenn den Pferden etwas geschieht! Ich werde nachher sofort die Botschaft verständigen.«
Borolenko schüttelte den Kopf. »Wir werden sie behandeln wie rohe Eier. Die Männer, die sie aus den Wagen holen, sind alle selbst Reiter. Trauen Sie uns keine gute Organisation zu, Towaritsch? Wir wollen verhindern, daß Ihre Leute die Wagen betreten. Sehen Sie, wie brav die Gäule herauskommen?«
Borolenko hatte recht – fachmännisch führten die Russen die wertvollen Tiere heraus, gingen mit ihnen über die Laufstege und stellten sie auf der Rampe ab. Die Pferde waren nicht unruhiger als sonst beim Ausladen. Im Gegenteil, sie benahmen sich weniger nervös als gewöhnlich, denn die Russen sprachen in singendem Tonfall auf sie ein, tätschelten die Hälse und streichelten die Nüstern.
Die einzigen Schwierigkeiten machte Laska. Romanowski klammerte sich an ihrem Halfter fest und brüllte, als die Soldaten auf seinen Wagen kletterten.
»Herrchen, sagen Sie Ihnen, det Laska se vom Waggon feuert! Wenn ick se loslasse, jibt det eine Katastrophe! Sagen Sie det dem Kleenen in der Uniform!«
Major Borolenko lächelte breit. »Ein Berliner«, sagte er liebenswürdig zu Hartung. »Ich war sechs Jahre in der Kommandantur in Berlin. Ihr Pferdepfleger?«
»Ja. Es ist unmöglich, daß Laska von einem Ihrer Leute weggeführt wird. Ich garantiere Ihnen Knochenbrüche und noch mehr. Wenn Sie etwas von Pferden verstehen, sehen Sie sich nur Laskas Augen und Ohren an, Jakow Nikitajewitsch. Das ist höchste Gefahr.«
Borolenko schrie wieder einige Befehle. Die Soldaten wichen von Laska zurück, dafür tasteten zwei Milizionäre den vor Staunen sprachlosen Romanowski von oben bis unten ab. Hartung versuchte zu lächeln.
»Aha, Sie suchen etwas, Genosse Major.«
»Ja«, antwortete Borolenko kurz.
»Ich kann sie beruhigen, wir reiten, aber wir führen keine Waffen bei uns.«
Borolenkos Miene war tiefernst. »Warten Sie ab. Unser Informant hat noch nie
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