Des Teufels Alternative
Hörer zugleich in ihrer Morgenzeitung lasen, die beiden Flugzeugentführer sollten um 8 Uhr entlassen werden. Die Redaktionen waren empört und bombardierten das Bundespresseamt mit Anfragen. Aber von dort kam keine befriedigende Antwort.
Die Nachricht aus Bonn erreichte die Freya um 6 Uhr 30 über den BBC World Service, den Drake auf seinem Transistorradio eingestellt hatte. Der Ukrainer hörte sich die Meldung wie viele Radiohörer in ganz Europa schweigend an, bevor er wütend schrie:
»Verflucht noch mal, was bilden die Kerle sich eigentlich ein?«
»Irgendwas ist schiefgegangen«, stellte Thor Larsen lakonisch fest. »Bonn hat sich die Sache anders überlegt. Ihr Plan ist fehlgeschlagen, Mr. Swoboda.«
Drake beugte sich über den Tisch und zielte mit seiner Pistole auf das Gesicht des Norwegers.
»Sie brauchen gar nicht zu triumphieren!« rief er. »Hier geht es nicht nur um meine Freunde in Berlin oder um mich. Hier stehen Ihre Leute und Ihr kostbares Schiff auf dem Spiel! Denken Sie lieber daran!«
Er überlegte einige Minuten lang angestrengt, bevor er über die Bordsprechanlage einen seiner Männer in die Kapitänskabine beorderte. Der Maskierte sprach mit seinem Anführer ukrainisch, aber Larsen konnte den besorgten Tonfall des Gesprächs nicht überhören. Drake übertrug dem andern die Bewachung Larsens und verschwand für etwa eine Viertelstunde. Als er zurückkam, gab er dem Norweger ein Zeichen, mit ihm auf die Brücke zu gehen.
Maas Control empfing den Anruf um 6 Uhr 59. Kanal 20 blieb weiterhin ausschließlich für die Freya reserviert, und der Diensthabende rechnete mit einer Meldung von dem Tanker, weil er die Nachricht aus Bonn ebenfalls gehört hatte. Als die Freya sich meldete, lief das Tonbandgerät bereits.
Larsen verlas die Erklärung der Geiselnehmer ausdruckslos und mit müder Stimme.
»Aufgrund der empörenden Entscheidung der Bonner Regierung, ihren Beschluß, Lew Mischkin und Dawid Lasareff heute morgen um acht Uhr freizulassen, zu widerrufen, geben die Besetzer der ›Freya‹ folgendes bekannt: Sollten Mischkin und Lasareff nicht bis zwölf Uhr auf dem Luftweg nach Tel Aviv unterwegs sein, pumpt die ›Freya‹ Punkt zwölf Uhr zwanzigtausend Tonnen Rohöl in die Nordsee. Jeder Versuch, dies zu verhindern oder mit Schiffen oder Flugzeugen in das Sperrgebiet um die ›Freya‹ einzudringen, hat die sofortige Vernichtung des Tankers und seiner Besatzung zur Folge.«
Damit war die Übertragung beendet, und auf dem Kanal herrschte wieder Funkstille. Zu Fragen war keine Gelegenheit gewesen.
Nahezu 100Funkstationen hatten die Erklärung der Geiselnehmer abgehört, und sie wurde innerhalb einer Viertelstunde von allen europäischen Rundfunksendern als Sondermeldung ausgestrahlt.
In den frühen Morgenstunden herrschte in Präsident Matthews’ Arbeitszimmer die Atmosphäre eines Kriegsrats.
Die vier Männer hatten ihre Jacken ausgezogen und die Krawatten gelockert. Mitarbeiter kamen und gingen mit Fernschreiben aus der Nachrichtenzentrale des Weißen Hauses, die mit der CIA und dem Außenministerium in direkter Verbindung stand. In Washington war es 2 Uhr 15 – 7Uhr 15 in Europa –, als Robert Benson ein Fernschreiben mit dem Text von Drakes Ultimatum vorgelegt wurde. Er gab es wortlos an Präsident Matthews weiter.
»Das war zu erwarten«, sagte der Präsident müde, »aber deswegen ist die Sache nicht weniger schlimm.«
»Wer immer dieser Mann ist – glauben Sie wirklich, daß er dazu fähig wäre?« fragte Außenminister Lawrence.
»Bisher hat er alle seine Drohungen wahrgemacht«, antwortete Stanislaw Poklewski. »Der Teufel soll ihn holen!«
»Ich nehme an, daß Mischkin und Lasareff in Tegel unter besonders strenger Bewachung stehen?« fragte Lawrence.
»Sie sind nicht mehr in Tegel«, erklärte ihm Benson. »Sie sind während der letzten Nacht ins Gefängnis Moabit verlegt worden, das moderner und sicherer ist.«
»Woher wissen Sie das, Bob?« fragte Poklewski.
»Ich lasse Tegel und Moabit überwachen, seit sich die Geiselnehmer gestern mittag von Bord der ›Freya‹ gemeldet haben«, sagte Benson.
Lawrence, der Diplomat alter Schule, sah mißbilligend auf.
»Ist das die neue Politik, daß wir sogar bei unseren Verbündeten spionieren?«
»Nicht direkt«, antwortete Benson gelassen. »Das haben wir schon immer getan.«
»Warum sind die beiden Häftlinge in ein anderes Gefängnis verlegt worden, Bob?« wollte Matthews wissen.
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