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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Folsom
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Freunde und Mandanten. Harry wurde seit vielen Jahren zu Pessach-Sedern eingeladen, hatte schon unzählige Male in Nate & Al’s Deli in Beverly Hills, einer Oase jüdischer Autoren und Komiker, mit Freunden gefrühstückt und war häufig mit Mandanten unterwegs gewesen, die Verwandte in den jüdischen Vierteln von Fairfax und Beverly, Pico und Robertson besuchen wollten. Und nun hatten Danny und er sich auf Gedeih und Verderb in israelische Rabbiner verwandelt, die Italien zur Förderung des Dialogs zwischen Christen und Juden be-reisten. Elena spielte eine italienische Reiseführerin und Dolmetsche-rin aus Rom, die die Rabbiner auf ihrer Reise begleitete. Aber Gott bewahre, daß jemand sie oder die beiden Brüder aufforderte, hebrä-
    isch zu sprechen!
    »…fuggitivo«, sagte einer der Carabinieri scharf. Dieses Wort holte Harry ruckartig in die Gegenwart zurück.

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    »Fuggitivo«, wiederholte Pater Renato nickend und fügte auf italienisch eine kurze, eindeutige Verwünschung hinzu. Die Carabinieri schienen mit seiner Antwort zufrieden zu sein, denn sie traten von den Türen zurück, salutierten und winkten den Kleinbus durch.
    Harry sah zu Elena hinüber, während Pater Renato den ersten Gang einlegte. Er spürte, wie das Fahrzeug sich in Bewegung setzte und langsam über die Rampe in den Bauch der Fähre rollte. Als er sich umsah, kontrollierten die Carabinieri bereits das nächste Auto. Dessen Insassen mußten aussteigen und sich ausweisen, während das Fahrzeug gründlichst durchsucht wurde.
    Keiner von ihnen wagte es, die anderen anzusehen. Sie warteten schweigend quälende zehn Minuten lang, bis endlich der letzte Wagen an Bord gerollt war, die Rampe hochgezogen wurde und die Fähre ablegte.
    Harry war unter seinem langen schwarzen Mantel in Schweiß gebadet. Wie viele Polizeikontrollen konnten sie noch überstehen? Wie lange würde ihr Glück, falls es das war, noch vorhalten?
    Die Autofähre nach Menaggio war der erste Schritt gewesen. Das Schiff legte um sieben Uhr sechsundfünfzig ab, genau vier Minuten vor Beginn des Großeinsatzes, bei dem Polizei und Militär die gesamte Halbinsel durchkämmen sollten, und eine Viertelstunde nach der Entdeckung von Salvatore Belsitos Kleinlaster in einer Seitenstraße einen Kilometer von der St.-Chiara-Kirche entfernt. Pater Natalini hatte ihn dort kurz vor sechs Uhr abgestellt, sorgfältig seine Fingerabdrücke von Lenkrad, Schaltknüppel und Türgriff abgewischt und war rasch zur Kirche zurückgekehrt.
    Der zweite Schritt, der Grenzübertritt aus Italien in die Schweiz, wäre noch schwieriger, wenn nicht ganz unmöglich gewesen, weil keiner der beiden Patres auch nur einen einzigen an der Grenze diensttuenden Polizeibeamten kannte. Ihre Rettung war die Tatsache, daß Pater Natalini aus Porlezza, einer Kleinstadt zwischen Menaggio und der Grenze, stammte und die kleinen Nebenstraßen, die sich von dort aus über die Hügel in die Alpen hinaufschlängelten, so gut kannte, wie sie nur ein Einheimischer kennen konnte. Auf diesen Straßen umgingen sie die Kontrollstellen der Gruppo Cardinale in Oria und 361
    erreichten um zehn Uhr zweiundzwanzig unbehelligt Schweizer Boden.

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    Vatikan, St.-Johannes-Turm.
    11.00 Uhr
    Marsciano stand an der Glastür, der einzigen Öffnung, durch die Tageslicht in den Raum fiel, und dem außer der stets abgeschlossenen und bewachten Korridortür einzigen weiteren Ausgang. Hinter ihm flimmerte der Fernsehschirm, dessen Anblick er nicht länger ertragen konnte, wie ein alles sehendes Auge.
    Er hätte den Fernseher natürlich ausschalten können, aber das hatte er bisher nicht getan und würde es auch nicht tun. Diesen Charakter-zug Marscianos kannte Palestrina nur allzugut. Deshalb hatte er angeordnet, den Apparat mit dem Großbildschirm in dem auf seine Anweisung ausgeräumten ehemaligen Luxusapartment zu belassen, dessen Einrichtung nur noch aus Bett, Schreibtisch und Stuhl bestand, und das Apartment gegen den Rest des Gebäudes abzuschot-ten.
    »Nach amtlichen Angaben liegt die Zahl der Todesopfer in Hefei jetzt bei über sechzigtausend, mit steigender Tendenz. Wie hoch sie noch werden könnte, läßt sich gegenwärtig nicht abschätzen…«
    Die Stimme des Reporters hinter ihm klang leidenschaftslos energisch. Marsciano brauchte den Bildschirm nicht zu sehen. Auf ihm erschien stündlich dieselbe Farbgraphik, um die Zahl der Toten hochzurechnen, als gehe es darum, ein Wahlergebnis durch die Befragung von Wählern

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