Des Teufels Kardinal
sich aufsetzte und seinen Rollstuhl ein Stück vorwärtstrieb, um ihre Hände zu ergreifen.
»Grazie. Mille grazie«, sagte er dankbar, als sei er sich darüber im klaren, was die beiden riskiert hatten, um ihn herzubringen.
Dann waren die Patres fort. Véronique, die ihnen einen Imbiß zube-reiten wollte, ging an einer der sechs großen abstrakten Skulpturen vorbei, die in dem sonnigen Raum verteilt standen, und verschwand durch eine Tür in der Rückwand.
»Pater Daniel muß sich ausruhen«, sagte Elena im nächsten Augenblick. »Ich frage Véronique, wo er sich hinlegen kann.«
Harry beobachtete, wie sie den Raum durchquerte. Dann drehte er sich nach Danny um.
Bisher hatte Harry sich zurückgehalten und versucht, seinem Bruder soviel Zeit zu lassen, wie er für seine physische und psychische Heilung brauchte. Aber Dannys überraschend wache Art, mit der er den beiden Geistlichen gedankt hatte, ließ Harry vermuten, Dannys Verstand funktioniere weit besser, als er sich bisher hatte anmerken lassen. Und als er jetzt mit ihm allein war, fühlte er plötzlich Zorn in sich aufsteigen. Er hatte es nicht verdient, daß Danny ihn aus uner-findlichen privaten Gründen im ungewissen ließ. Schließlich hatte er schon mehr als genug für ihn riskiert. Jetzt mußte er endlich die Wahrheit erfahren.
»Du hast mich angerufen, Danny. Du hast auf meinem Anrufbeantworter eine Nachricht hinterlassen. Weißt du das noch?« Harry nahm plötzlich sein schwarzes Schädelkäppchen ab und stopfte es in die Manteltasche.
»Ja.«
»Du hast vor irgend etwas eine Heidenangst gehabt. Das ist eine ziemlich merkwürdige Art gewesen, nach so vielen Jahren wieder mal ›hallo‹ zu sagen. Noch dazu auf einem Anrufbeantworter. Wovor hast du Angst gehabt?«
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Dannys Blick wanderte langsam über Harrys Gesicht. »Ich möchte, daß du mir einen Gefallen tust.«
»Welchen?«
»Du mußt sofort von hier verschwinden.«
»Verschwinden?«
»Ja.«
»Nur ich? Ganz allein?«
»Tust du es nicht, Harry, bringen sie dich um.«
Harry starrte seinen Bruder an. »Wer sind ›sie‹?«
»Geh einfach. Bitte.«
Harry ließ seinen Blick durch den Raum wandern. Dann sah er wieder Danny an. »Vielleicht sollte ich dir etwas erzählen, das du vergessen oder nie gewußt hast. Wir werden beide wegen Mordes gesucht, Danny. Du wegen…«
»Ich wegen der Ermordung des Kardinalvikars von Rom, und du, weil du einen italienischen Kriminalbeamten erschossen haben sollst«, warf Danny ein. »Ich habe eine Zeitung gesehen, die ich nicht hätte sehen sollen.«
Harry zögerte, weil er nicht wußte, wie er seine nächste Frage for-mulieren sollte. Dann fragte er einfach: »Hast du den Kardinal ermordet, Danny?«
»Hast du den Cop ermordet?«
»Nein.«
»Gleiche Antwort«, sagte Danny offen und ohne im geringsten zu zögern.
»Die Polizei hat reichlich Belastungsmaterial, Danny. Farel hat mich in deine Wohnung mitgenommen und mir…«
»Farel?« unterbrach Danny ihn. »Daher stammen also deine Beweise?«
»Wie meinst du das?«
Danny schwieg sekundenlang, dann wandte er seinen Blick ab. Das war ein deutliches Signal. Er hatte bereits zuviel gesagt und war nicht bereit, länger über dieses Thema zu sprechen.
Harry steckte seine Hände in die Taschen und betrachtete mürrisch Véroniques Skulpturen. Schließlich drehte er sich wieder um.
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»Du hast in dem Bus gesessen, auf den ein Bombenanschlag verübt worden ist, Danny. Alle haben geglaubt, du seist tot. Wie bist du aus dem Bus rausgekommen?«
Danny zuckte mit den Schultern. »Weiß ich nicht.«
»Du bist nicht nur rausgekommen«, fuhr Harry fort, »sondern hast es geschafft, deinen Dienstausweis, deinen Paß und deine Brille einem anderen in die Tasche zu stecken.«
Danny äußerte sich nicht dazu.
»Der Bus ist nach Assisi gefahren. Weißt du das noch?«
»Ich… fahre oft dorthin.« Dannys Augen blitzten irritiert.
»Tatsächlich?«
»Ja! Harry, tu mir den Gefallen und verschwinde. Sofort! Solange du noch kannst.«
»Hör zu, Danny, wir haben jahrelang nicht mehr miteinander geredet. Schick mich nicht gleich wieder fort.« Harry zog sich einen Stuhl heran, drehte ihn mit der Lehne nach vorn zu Danny und setzte sich darauf. »Vor wem hast du Angst gehabt, als du mich angerufen hast?«
»Das weiß ich nicht mehr.«
»Farel?«
»Ich hab’ doch gesagt, daß ich’s nicht mehr weiß!«
»Doch, du weißt es, Danny«, widersprach Harry gelassen. »Deshalb haben sie versucht, dich im Bus
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