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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Folsom
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war jedoch eine andere Frage: Warum war er weiter in Italien unterwegs, wo bereits nach ihm gefahndet wurde, wenn er sich ebenso leicht in die verhältnismäßig sichere Schweiz hätte absetzen können, um von dort aus in den Sudan zurückzukehren? Weshalb? Was war in Italien so wichtig, daß er dieses hohe Risiko einging?
    Lugano.
    14.00 Uhr
    Harry zog einen Stuhl heran, und Elena nahm darauf Platz. »Danke«, murmelte sie, ohne ihn dabei anzusehen. Der Tisch war mit frischer Melone, Prosciutto und einer kleinen Karaffe Rotwein für zwei Personen gedeckt. Nachdem sie Danny im ersten Stock zu Bett gebracht hatten, sobald er eine Kleinigkeit gegessen hatte, wurden sie von 373
    Véronique auf ihre von Bougainvilleen umrankte Terrasse geführt.
    Véronique hatte ihre Gäste aufgefordert, mit der Vorspeise anzufan-gen, und war rasch wieder ins Haus gegangen, so daß die beiden erstmals wieder miteinander allein waren.
    »Was ist zwischen Ihnen und Ihrem Bruder passiert?« fragte Elena, als Harry ihr gegenüber Platz nahm. »Es hat Streit gegeben. Das habe ich Ihnen beiden angesehen, als ich wieder hereingekommen bin.«
    »Ach, nichts Besonderes. Brüder geraten sich eben manchmal in die Haare. Wir hatten lange nicht mehr miteinander geredet.«
    »An Ihrer Stelle hätte ich über die Polizei geredet. Und ich hätte über die Ermordung des Kardinalvikars von…«
    »Aber Sie sind nicht an meiner Stelle, stimmt’s?« unterbrach Harry sie energisch. Er hatte keine Lust, ihr zu erzählen, worüber er mit seinem Bruder gesprochen hatte. Zumindest nicht jetzt.
    Elena musterte ihn schweigend, dann griff sie nach Messer und Gabel und begann zu essen.
    »Entschuldigung«, sagte Harry verlegen. »Ich wollte Sie nicht so anschnauzen. Aber es gibt Dinge, die…«
    »Sie sollten etwas essen, Mr. Addison.« Elenas Blick blieb auf ihren Teller gerichtet. Sie zerteilte ihre Melone, schnitt ein kleines Stück Schinken ab, legte dann sehr langsam Messer und Gabel weg und sah auf.
    »Ich möchte… mich dafür entschuldigen, daß ich letzte Nacht etwas überschwenglich gewesen bin.«
    »Sie haben nur gesagt, was Sie empfunden haben«, sagte Harry.
    »Ich hätte Sie nicht damit belästigen dürfen, und das tut mir leid.«
    »Hören Sie, Elena.« Harry machte eine Pause, stand auf und trat an den Rand der Terrasse, um über die orangeroten und gelblichen Ziegeldächer hinauszublicken, die zur Stadt und zum Luganer See hinunter abfielen.
    »Auf etwas, das Sie empfinden, oder«, er drehte sich wieder zu ihr um, »das ich vielleicht meinerseits empfinde, dürfen wir uns nicht einlassen. Das habe ich mir schon selbst zu sagen versucht, und jetzt sage ich es Ihnen.« Sein Tonfall wurde sanfter. »Deshalb habe ich Sie vorhin so angefahren. Wir sitzen tief in der Patsche und müssen 374
    sehen, wie wir da rauskommen. Véronique scheint eine außergewöhnliche Frau zu sein, aber hier sind wir nicht sicher. Roscani weiß inzwischen, daß wir ihm durch die Lappen gegangen sind. Lugano liegt zu nahe an der italienischen Grenze, es wird nicht lange dauern, bis es hier überall von Schweizer Polizei wimmelt. Wenn Danny gehen könnte, wären wir besser dran, aber…« Harry verstummte plötzlich.
    »Woran denken Sie?«
    »Mir ist nur eben etwas eingefallen.« Sein Blick ging ins Leere.
    »Heute ist Mittwoch. Am Montag ist ein Freund von mir in Como aus meinem Auto gestiegen, um zu Fuß hierher nach Lugano zu gehen. Keine allzu weite Strecke, aber für ihn nicht einfach, weil er ebenfalls von der Polizei gesucht wird, körperbehindert ist und sich an Krücken vorwärts bewegt.« Harry sah wieder Elena an. »Aber er ist trotzdem losgezogen, mit einem Lächeln, weil er der Überzeugung war, es schaffen zu können. Und weil er frei sein wollte. Er heißt Herkules und ist ein Zwerg. Hoffentlich hat er es geschafft!«
    Elena lächelte. »Das hoffe ich auch.«
    Harry schaute sie lange an, dann wandte er sich ruckartig ab und blickte wieder über die Stadt. Er kehrte Elena bewußt den Rücken zu, weil sie nicht merken sollte, daß eine plötzliche Gefühlsaufwal-lung ihn fast überwältigte. Aus irgendeinem Grund erfüllte ihn die Kombination aller Ereignisse der letzten Tage – daß er Danny lebend angetroffen hatte, sein Zusammensein mit Elena und die Erinnerung daran, wie Herkules in Como in der Abenddämmerung mutig zu seinem Marsch aufgebrochen war – mit gewaltigem Lebenswillen und dem Wunsch nach einem erfüllten Leben.
    In diesem Augenblick erkannte er

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