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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Folsom
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es im Vorführraum wieder hell wurde, schaute Roscani erst Taglia, dann Farel aufgebracht an.

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    »Das habe ich auch erst erfahren, als der Videofilm auf meinem Schreibtisch gelandet ist«, sagte Farel. »Der Vorfall hat sich gestern ereignet, als der Amerikaner darauf bestanden hat, daß der Sarg ge-
    öffnet wurde. Daraufhin hat er steif und fest behauptet, der darin liegende Tote sei nicht sein Bruder. Das kann die Wahrheit gewesen sein, es kann eine Lüge gewesen sein. Kardinal Marsciano ist dabeigewesen. Seiner Einschätzung nach war der Amerikaner emotional überreizt. Der Kardinal hat erst heute nachmittag, als er von den Umständen von Pios Tod erfahren hatte, Pater Bardoni mit dieser Mitteilung zu mir geschickt.«
    Roscani stand ruckartig auf. Er war irritiert. Dies war eine Sache, von der er sofort hätte erfahren müssen. Außerdem mochten Farel und er sich nicht besonders.
    »Und Sie und Ihre Leute haben keine Ahnung, wo dieser Videofilm herkommt?«
    Farel erwiderte gelassen Roscanis Blick. »Glauben Sie nicht auch, Ispettore capo, daß wir längst etwas unternommen hätten, wenn wir das wüßten?«
    Taglia, dessen schlanke, elegante Erscheinung in einem dunkelblauen Nadelstreifenanzug seine Herkunft aus guter Familie verriet, mischte sich jetzt erstmals ein.
    »Warum hätte er das tun sollen?«
    »Darauf bestehen, daß der Sarg geöffnet wird?« Farel sah zu Taglia hinüber.
    »Ja.«
    »Soviel ich gehört habe, ist er von Emotionen überwältigt gewesen.
    Er wollte seinen Bruder noch einmal sehen, um Abschied von ihm zu nehmen. Blut ist dicker als Wasser, auch bei Mördern. Als er dann gesehen hat, daß das nicht Pater Daniels Leiche war, hat er aus Überraschung unbedacht reagiert und uns das verraten.«
    »Nehmen wir mal an, Addison habe tatsächlich einen Fehler gemacht«, warf Roscani ein. »Warum nimmt er einen Tag später an, sein Bruder lebe noch, und bittet ihn inständig, sich zu stellen? Vor allem, obwohl er selbst als Mörder gesucht wird?«
    »Das ist ein Trick«, meinte Taglia. »Die Hintermänner der Anschläge fürchten, daß Pater Daniel auspacken könnte, falls er gefaßt 105
    wird. Sie lassen ihn von seinem Bruder auffordern, sich zu stellen, damit sie ihn liquidieren können.«
    »Dieser Mann, der von Rührung überwältigt gebeten hat, seinen toten Bruder noch einmal sehen zu dürfen, will ihn jetzt umbringen?«
    »Vielleicht ist das der Grund dafür gewesen.« Farel lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Vielleicht steckt dahinter mehr Berechnung, als es den Anschein hat. Vielleicht hat er geahnt, daß da irgend etwas nicht stimmte.«
    »Aber warum hat er seinen Verdacht ausgesprochen? Pater Daniel hat offiziell als tot gegolten. Warum hat er es nicht dabei belassen?
    Nach einem Toten fahndet keine Polizei mehr. Hätte er den Verdacht gehabt, sein Bruder könnte noch leben, hätte er unauffällig versuchen können, ihn aufzuspüren.«
    »Aber wo?« fragte Taglia. »Wäre es nicht einfacher, dafür die Polizei einzuspannen?«
    Roscani zündete sich eine Zigarette an. »Aber warum ist der Videofilm nicht uns, sondern dem Papst geschickt worden? Die Medien haben oft genug über uns berichtet. Jeder weiß, daß wir die Ermittlungen führen.«
    »Weil die Öffentlichkeit ihn sehen soll«, antwortete Farel. »Die Gruppo Cardinale könnte ihn freigeben, oder auch nicht. Sie haben den Film in der Hoffnung an den Heiligen Vater geschickt, daß er persönlich intervenieren würde. Daß er mich auffordern würde, auf seine Weitergabe an die Medien zu drängen. Ganz Italien weiß, wie schockiert und entsetzt der Papst über die Ermordung seines Kardinalvikars gewesen ist und wieviel es ihm bedeuten würde, wenn der Attentäter gefaßt und vor Gericht gestellt würde.«
    »Und hat er Sie dazu aufgefordert?« fragte Roscani.
    »Ja.«
    Roscani starrte Farel einen Augenblick an, dann wandte er sich ab.
    »Wir müssen annehmen, daß die Hintermänner sich die Risiken ausgerechnet haben. Sie wissen, daß wir uns um die große Chance bringen, Pater Daniel – falls er wirklich noch lebt – mit Hilfe der Öffentlichkeit aufzuspüren, wenn wir uns dafür entscheiden, den Film nicht an die Medien weiterzugeben. Tun wir das jedoch, und er 106
    sieht die Berichte im Fernsehen oder liest sie in der Zeitung und ent-schließt sich dazu, der Aufforderung seines Bruders zu folgen, kommen wir vielleicht an ihn heran, bevor seine Hintermänner ihn umle-gen. Dann könnte er uns genau das verraten, was sie um

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