Des Teufels Maskerade
Atemzug, vielleicht huschte gar ein Schatten über sein Gesicht? In jedem Fall hatte ich verstanden: »Nur ein Tropfen Vampirblut, und die treulose Göttin Jugend kehrt – auf Zeit – wieder.«
»Sehr poetisch formuliert, Baron. Sehr poetisch, und dennoch klug erkannt. Oder war es geraten?« Mein Gefangener leckte sich die aufgesprungenen Lippen. »Das ewige Leben, von Gnaden eines Nachtdämons. Und mit Leben meine ich Leben , nicht etwa die traurige Schattenexistenz, die diese wandelnden Toten führen. Aber wissen Sie auch, was dem Unglücklichen geschieht, dem der Wunsch nach einem zweiten Blutstropfen gewährt wird?« Ohne meine Antwort abzuwarten, fuhr er fort. »Er tritt nicht zurück in das ferne Land der Kindheit! Das glauben sie alle und manch einer sehnt sich sogar danach.«
Seine weit geöffneten, dunkelbraunen Augen glänzten, als er sagte. »Er stirbt schreiend unter Qualen. Ich habe Gefährten dieses Schicksal erleiden sehen und weiß doch nicht, weshalb das so ist. Nicht einmal der Vampir selbst weiß es.«
Ich staunte. Wenn diese blutmagische Praxis derart verbreitet war, wie es die Schilderungen dieses Initiierten nahelegten, dann musste es Lišeks freiheitskämpfendem Zirkel gelungen sein, sich eine kleine Armee von Vampiren untertan zu machen. Doch das war unmöglich: Vampire waren selten; in ganz Europa existierte kundigen Schätzungen zufolge nicht mehr denn ein gutes Dutzend.
Ein Kratzen an der Tür holte mich aus meinen Überlegungen
zurück in den feuchtkalten Keller. Ich ließ Lysander ein, der sogleich zu unserem Gefangenen hoppelte, um ihn sich beim Schein des Gaslichts zu besehen.
»Sir Lysander, nehme ich an«, stellte dieser von oben herab fest.
Lysander legte den Kopf schief. »Und das ist … ?«
»… ein Lügner«, vervollständigte ich die Vorstellung.
»Ich bitte?«, murmelte dieser darauf indigniert.
Einmal mehr nahm ich auf meiner Kiste Platz, verschränkte die Arme vor der Brust. »Wie viele Vampire gibt es in Prag?«, fragte ich scharf.
Umständlich, unter Kettengeklirr, veränderte er seine Sitzposition. »Einen, nehme ich an. Sie und ich, wir kennen ihn: Master Alvin Buckingham.«
»Und wie kann es sein, dass sich ein Vampir mit Leib und Seele an mehr als eine Person bindet?«
Nur der Umstand, dass seine feinen Gesichtszüge nicht für derart vulgäre Ausdrucksformen gemacht waren, bewahrte den Gefangenen vor dem Schicksal, mir reichlich geistlos entgegenzuglotzen. »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen, Baron«, bekannte er schließlich.
Obwohl ich meine Ungeduld und meinen Zorn über die stockenden Ermittlungen kaum mehr unterdrücken konnte, begnügte ich mich mit der Bitte, er möge mich nicht weiter zum Narren halten.
»Aber«, begann er.
Mit einem Schnauben schnitt ihm Lysander das Wort ab. »Dejan? Hast du schon in Betracht gezogen, dass er dich wirklich nicht versteht?« Seine Schnurrbarthaare bebten vor Aufregung. »Lass uns einen Moment nachdenken – in welchem Zusammenhang haben wir bewusste Information erfahren, dass ein Vampir zum willenlosen Sklaven desjenigen wird, den er von seinem Blut kosten lässt?«
»Zu entnehmen aus Buckinghams Brief«, gab ich unwillig zur Antwort. »Und das weißt du ebenso gut wie ich.«
Lysander fiepte leise, rieb sich mit den Vorderpfoten über die Nase. »Buckinghams Brief an Lili«, präzisierte er.
Ich wartete.
»Dejan, entweder du gibst dir gerade alle erdenkliche Mühe, dich blöd anzustellen, oder du warst noch nie unglücklich verliebt!«
Ich zog eine Augenbraue hoch.
»Aus gänzlich obskuren, mir nicht vollkommen nachvollziehbaren Gründen liebt Master Buckingham heftigst unsere kleine Lili.« Lysander bleckte die Zähne. »Dies bitte nicht missverstehen. Ich finde Lili ganz reizend, aber zu meiner Zeit wenigstens verfiel man etwas spektakuläreren Damen.«
Im flackernden Licht der Gaslampe sah ich unseren Gefangenen grinsen. Ob auch er Lysanders Zeit entstammte?
»Einerlei.« Mein alter Kamerad wanderte in dem Weinkeller auf und ab; er wappnete sich zu einem seiner Vorträge. »Wie jeder Liebende will er die teure Angebetete für sich gewinnen. Nun steckt unser armer Buckingham jedoch in einem argen Dilemma: Seine Comtesse bittet ihn um eine wahrheitsgemäße Schilderung vergangener Ereignisse, in denen er eine wenig erfreuliche Rolle spielte, und er – der Schwachkopf – verspricht es ihr. Vor die Wahl gestellt, die Unwahrheit zu Papier zu bringen oder sich dem Fräulein Trubic in
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