Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
Vom Netzwerk:
über mich ein Ende gefunden hat.
    Ich blieb, bestellte Champagner und begann eine reichlich zerstreute Unterhaltung mit einem jungen Kavallerieleutnant, mit dem ich vor Wochen am Kartentisch in Lehmaiers Salon spektakulär eine Bridgepartie verloren hatte. Und irgendwann trat Felix an meine Seite. Ich hatte ihn nicht kommen sehen
 – war es mir tatsächlich gelungen, meine Aufmerksamkeit so sehr auf meinen Gesprächspartner zu richten?
    Leise rief er meinen Namen. Seine Stimme war belegt, er schwankte merklich. Ich begriff, dass er betrunken war, gefährlich betrunken.
    »Ein kleiner Leutnant also.« Rittlings schwang er sich auf einen samtgepolsterten Sessel. Seine Hände zitterten, als er ein Streichholz anriss, vergeblich versuchte, sich eine Zigarette anzuzünden. »Ich muss gestehen, wenn ich von einer Verlobten sprach, habe ich gewiss nicht an einen hübschen Offizier gedacht.«
    Ich sah den Leutnant erbleichen, hörte die neugierigen Lauscher flüstern und fühlte … nichts. Keinen Zorn, keine Furcht, keinen Hass. Ich erinnere mich nur, dass ich dachte, nun ist es dir also gelungen, uns um Kopf und Kragen zu spotten, mein falscher Freund. »Ich bitte dich, sei nicht geschmacklos«, sagte ich mit tödlicher Ruhe, die mich selbst überraschte.
    »Geschmacklos?« Flink wie eine Katze war Felix aufgesprungen. So dicht stand er jetzt bei mir, dass ich seinen Atem an meinem Hals spürte. »Und dabei habe ich geglaubt, du wolltest dich noch einmal von mir verabschieden.«
    Zwei Dutzend erstaunte, sensationshungrige Blicke lasteten schwer auf uns.
    »Wagst du es …«, begann ich.
    Felix lächelte. »Ich kann wagen, was ich nur will«, sagte er sanft. »Vergiss eines nicht, Dejan Sirco. Ich bin es, der all deine Geheimnisse kennt.«

    2. Oktober 1900
     
    Das Fieber ist abgeklungen, der Arzt ist mit den Fortschritten meiner Genesung sehr zufrieden. Nichts als eine Narbe wird bleiben, und die Fremdheit dieses Gesichts, das mir aus dem Spiegel entgegenstarrt.

AUS DEN AUFZEICHNUNGEN BARON SIRCOS, PRAG, 4. JULI 1909
    Die Adresse, die der Kutscher mir genannt hatte, entpuppte sich als eine höchst schäbige Lagerhalle. Da ich es inzwischen besser wusste, schickte ich den Chauffeur mit seinem Wagen fort. (Unser Hausgast im Übrigen war, so hatte mir Lysander während der Fahrt mitgeteilt, zu der Erkenntnis gelangt, dass er den Verstand verloren hätte – immerhin hatte ein zuvorkommender Otter ihm versichert, er habe keineswegs um sein Leben zu bangen. Daraufhin hatte er beinahe Erleichterung gezeigt, als Mirko zurückkehrte und ihm erneut einen effektiven Schlaftrunk bereitet hatte.)
    Vorsichtig umschlichen wir das Gebäude: ebenerdig, Backstein, schmutzige Fensterluken dicht unter dem flachen Dach, das Tor mit einer schweren Kette gesichert. Die Nachbarschaft setzte sich aus jener tristen Mischung aus Warenlagern, ältlichen Manufakturwerken und wenig respektablen Wohnhäusern zusammen, die anständige Menschen zu sozialpolitischen Überlegungen und dekadente Geister in Selbstmordgedanken trieb.
    »Wenn du mich hochhebst, dann könnte ich vielleicht durch ein Fenster sehen, was da drinnen vor sich geht«, schlug Lysander vor.
    Ich zögerte. Obwohl die Straße fast ausgestorben war, stand an der Ecke ein einsames Fuhrwerk, dessen Kutscher, den Hut ins Gesicht gezogen, offensichtlich seinen Nachmittagsschlaf
hielt. Oder gab er nur den Unbeteiligten, während er in Wahrheit streng über die Lagerhalle wachte? Nun, ich würde es herausfinden. Vorsichtig näherte ich mich ihm, die geborgte Pistole in meiner Tasche fest umklammert. Laut wünschte ich ihm einen Guten Tag.
    »Jesusmaria!« Der Kutscher schrak jäh hoch und schob seinen Hut zurück. »Was …«
    »Wissen Sie«, unterbrach ich ihn kühl, »wem das Lagerhaus dort drüben« – mit meiner verbundenen Rechten wies ich auf die Backsteinhalle – »gehört?«
    Ausgiebig rieb er sich mit dem Handrücken die rot geränderten Augen. »Na«, entschied er zuletzt, und gähnte herzhaft. Bei allem Misstrauen konnte ich daran nichts Außergewöhnliches erkennen. Grußlos wandte ich mich ab und ging zur Halle zurück.
    An einer Seite lag ein tristes Gässchen. Lysander quiekte, als ich ihn ohne Vorwarnung aufhob und dort vor einem zerborstenen Fenster in die Höhe hielt.
    »Kannst du etwas erkennen?«, flüsterte ich.
    Lysander reckte sich. »Etwas höher bitte, ja, genau. Sieht eher leer aus da drinnen, oder – oh!«, er brach ab und strampelte in der Luft. »Wir

Weitere Kostenlose Bücher