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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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glaube, sie ist härter und schlauer, als du ihr zugestehst.« Und skrupelloser, fügte ich in Gedanken hinzu.
    Felix verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. »Du irrst. Du verwechselst Panikreaktionen mit Härte. Bisher hat sie nichts anderes als Verzweiflungstaten begangen. Mit, wie du mir zweifelsohne Recht geben wirst, keineswegs befriedigenden Resultaten.«
    Seine Stimme war so leise geworden, dass ich Mühe hatte, ihn zu verstehen. Das Unbehagen, das ich dabei empfand, Zeuge seiner Krankheit, seiner Schwäche zu werden, war beinahe körperlich. »Du solltest dich ausruhen«, äußerte ich den erstbesten Allgemeinplatz und floh.

16
PRAG 4. JULI 1909

TAGEBUCH DEJAN SIRCOS, BARON UND HAUPTMANN A. D.
    13. September 1900
     
    Es ist zu Ende, was immer es auch war, das zwischen Felix und mir bestanden hatte. Vier Jahre hatte es gewährt. Zuweilen sind vier Jahre eine sehr lange Zeit.
    Heute Abend kam Felix überraschend zu Besuch; unter dem Vorwand, mit Sir Lysander plaudern zu wollen, verbrachte er eine unruhige halbe Stunde in unserem Salon, ehe er mich bat, ihn nach Hause zu begleiten. Ungeachtet der vorgerückten Abendstunde, des feuchtkalten Wetters, willigte ich ein, hatte ich doch erkannt, dass irgendetwas ihm schwer auf der Seele lastete.
    »Du solltest heiraten«, teilte mir Felix mit, kaum dass wir auf die Straße getreten waren. Der Spazierstock entglitt meinen Fingern; als ich mich bückte, ihn aufzuheben, trieb mir ein Windstoß den Hut vom Kopf. Ein räudiger kleiner Hund nahm die Verfolgung auf. Und während ich all diese nutzlosen Details so überdeutlich wahrnahm, verwehrte sich mir doch die Bedeutung von Felix’ Worten.
    »Wie?«, machte ich, reichlich geistlos.
    Felix schnaubte. »Ich würde den traditionellen Weg wählen. Such dir ein nettes Mädchen aus guter Familie, mache ihr den Hof, und lass dich, um Himmels willen, mit ihr sehen!«

    Ein Botenjunge, der vor dem Café Arco herumlungerte, brachte mir meinen beschmutzten Hut; ich warf ihm eine Münze zu und verscheuchte ihn mit einer ungeduldigen Geste.
    »Es kursiert gegenwärtig etwas unerfreulicher Tratsch«, setzte Felix erklärend hinzu.
    Regentropfen klatschten auf das Kopfsteinpflaster, aus weiter Ferne war Donnergrollen zu vernehmen. Damals hatte es auch geregnet …
    »Mostar«, sagte ich, plötzlich fröstelnd.
    »Nicht, wenn wir vernünftig sind.« Felix lächelte schwach. »Es muss keinen Skandal geben. Nicht, wenn sich unsere Wege eine Zeit lang trennen, wenn du dir etwas Mühe gibst, die Gerüchte zu zerstreuen.«
    Ich sah ihn an. Sah die altvertrauten Züge, die blitzenden Augen, die Narbe über seiner linken Braue, die Sommersprossen auf seiner Nase, die er wie eine eitle Dame zu überpudern pflegte, und erkannte ihn doch kaum wieder.
    »Und in ein paar Monaten, wenn etwas Gras über die Angelegenheit gewachsen ist …«
    Ich hörte nicht mehr hin. Er hatte natürlich Recht, und hätte nur ein wenig Bedauern in seiner Stimme gelegen, hätte er die Hand nach mir ausgestreckt, einen Hauch von Traurigkeit gezeigt, so wäre ich vielleicht bereit gewesen, seine ehrlosen Regeln in diesem Trugspiel zu befolgen.
    Aber Felix tat nichts. Und ich sagte »Adieu«.

    18. September 1900
     
    Auf der Kommode in meinem Schlafzimmer liegt ein Billett, das enthält nur zwei Worte. Major Vranek, der Felix vertreten wird, hat es heute Vormittag vorbeigebracht. »Ich akzeptiere«, ist darin zu lesen.
    Ich akzeptiere.
     
    Morgen, in aller Früh, wird man sich treffen, draußen vor der Stadt. Ich habe meine Sekundanten verständigt, meine Angelegenheiten in Ordnung gebracht. Jetzt wird mir die Nacht lang. Ich könnte Briefe schreiben, an meine Mutter oder meine Brüder. Aber was gäbe es schon zu sagen? Verzeiht mir? Lächerlich.
    Und doch: Verzeiht mir, nicht ich trage die Schuld. Prag, dieser Irrgarten aus Blut und Pulver, den ich meine Heimat nenne, ist die Schuldige. Denn Prag ist eine kleine Stadt. Irgendwann begegnet man sich auch in großen Städten wieder; hier geschieht es etwas früher.
    Gestern, in einem Nachtlokal am Wenzelsplatz, wohin mich meine Suche nach Zerstreuung trieb, traf ich zwischen grünem Samt und Walzerklängen auf Felix, der wie gewöhnlich im Mittelpunkt einer ebenso munteren wie weinseligen Runde stand. Ich wollte auf dem Absatz kehrtmachen; in jenem Moment wandte Felix den Kopf, sah mich und – grinste in unverschämter Manier. Nun war an Flucht nicht mehr zu denken. Ich musste ihm beweisen, dass seine Macht

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