Des Teufels Maskerade
Nein.« Sie verschränkte die Hände. »Nein, ich werde Ihnen nicht verraten, wo Sie den Fuchs finden.«
Ich ließ mich auf dem Schemel vor Esthers Frisiertisch nieder, starrte auf Fläschchen und Tiegel. »Milena.«
Die Vilja hob eine Augenbraue.
»Alles, was ich will, ist, den anstehenden Mord an Felix Trubic verhindern.« Kaum hatte ich sie ausgesprochen, hätte ich viel dafür gegeben, diese Wahrheit zurückzunehmen. Milena lachte leise, kehlig. Was wusste sie, was ahnte sie? »Und den Fluch seines Hauses zu lösen«, fügte ich hastig hinzu, als Esther samt Entourage das Zimmer betrat.
»Ich staune, Baron«, sagte Milena leise, mit ihren Ringen spielend. »Das Schicksal Böhmens interessiert Sie nicht?«
Oh, wie ich ihr widersprechen wollte! Natürlich lag auch mir die Zukunft jenes Landes, in dem ich seit so vielen Jahren lebte, am Herzen. Nur stand ich Lišeks Plänen skeptisch gegenüber: Eine Fürstin aus mythischer Vergangenheit an der Spitze eines böhmischen Staats, den unsterbliche Kreaturen in goldene Zeiten führen sollten?
»In Anbetracht der Tatsache, dass Ihr Lišek es seit dreihundert Jahren nicht zuwege gebracht hat, Böhmen in die vielgepriesene Freiheit zu geleiten, halte ich es für wenig wahrscheinlich, dass es noch zu meinen Lebzeiten gelingen wird.«
Milena legte den Kopf schief. »O bitte«, flüsterte sie. »Ist
solch ein Gedankengang Ihrer wirklich würdig? Dreihundert Jahre, Baron. Dreihundert Jahre sind eine lange Zeit, um zu warten, zu planen und die brillantesten Geister um sich zu sammeln.« Sie leckte sich die Lippen. »Abzuwarten, bis endlich – endlich! – der Augenblick kommt.«
Lysander, der die Unterhaltung bisher stumm mitverfolgt hatte, mischte sich nun ein: »Belügen Sie uns nicht. Wenigstens ein junger Mann wollte im Namen Ihres Fuchses sterben. Wir wissen, dass Sie umstürzlerische Versuche unternommen haben!«
Die Vilja zog an ihrer Handfessel. »O ja, anfangs sogar sehr viele. Die Wirren nach der Schlacht am Weißen Berg etwa, die hatten wir zu nützen gesucht, und waren bitter gescheitert. Und es war gut so. Wir waren gierig, ungeschickt und viel zu wenige. Erst mit dem Lauf der Jahre lernten wir, unsere Gefährten mit Bedacht und Verstand zu wählen. Und zu begreifen, dass die Zeit unsere treueste Verbündete ist.«
Esther sah sie gedankenverloren an. »Also bitt’ schön, nicht, dass mir das nicht gefallen tät’, ein freies, großes Böhmen – wenn ich es mir überleg’, sogar so gut, dass ich dafür die vergangene Fürstin in Kauf nehm’, die würd’ mir sonst nicht zu meinem Glück fehlen, aber die Frage ist doch, was die ganzen Leut’ dazu sagen. Vielleicht gefällt denen das alles nicht so sehr und was dann?« Sie fischte eine Praline aus der Schüssel auf ihrem Frisiertisch. »Dann haben wir den schönsten Bürgerkrieg beisammen, den wir uns vorstellen können, und das wär’ wirklich eine saublöde Geschichte.«
Milena schien diesen Einwand erwartet zu haben. »Wissen Sie, wie viele Wesen wie ich und der Fuchs im Kaiserreich existieren?« Ein rasches Lächeln. »Und damit meine ich nicht Revolutionäre.«
Esther wiegte stumm den Kopf.
»Wir könnten uns bei der Centrale erkundigen«, machte sich
Dr. Rosenstein erbötig. »Dort würden wir zumindest die Zahl der registrierten außernatürlichen Wesenheiten erfahren.«
Milena rümpfte die Stupsnase. »›Außernatürliche Wesenheiten‹? So lautet unsere offizielle Bezeichnung? Ach du lieber Himmel.«
Dr. Rosenstein murmelte eine Entschuldigung.
»Nun, ich jedenfalls weiß es nicht. Aber ich kann mir vorstellen, dass viele von ihnen ihre versteckten, verstohlenen Existenzen aufgeben und zu uns kommen werden, wenn sie erst erfahren, dass in unserem neuen Böhmen keine Maskerade mehr nötig sein wird! Nicht alle von uns ähneln dem Alten Volk, das um jeden Preis unter sich bleiben will«, schloss Milena temperamentvoll.
Esther räusperte sich. »Na fein. Nur eine Antwort ist das keine. Zumindest nicht auf meine Frage: Was die Leut’ in Böhmen, die ganz normalen Leut’, die keine Ahnung von dem ganzen Theater haben, dazu sagen werden? Ich könnt’ mir schon vorstellen, dass mich der Schlag treffen tät’, wenn ich irgendwann in der Früh aufsteh’ und in der Zeitung les’, wir sind unabhängig – nur leider ist der neue Premierminister oder Fürst, oder Präsident, oder was Sie auch haben wollen, irgendein Kerl, der vor dreihundert Jahren an seinem Idealismus krepiert
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