Des Teufels Maskerade
verwarf den Gedanken aber rasch. Bis ich den Benz gestartet hatte, mochte die Vilja bereits sonst wohin verschwunden sein.
Eine Krähe in der Dunkelheit zu verfolgen, erwies sich als aussichtsloses Unterfangen: Sämtliche Trümpfe lagen in ihrer Hand. Kaum waren wir ein paar Meter gerannt, war von Milena keine Feder mehr zu sehen.
Ich lehnte mich schwer atmend gegen die Hausmauer von Esthers Etablissements. Mirko barg das Gesicht in beiden Händen und murmelte immer wieder ein »Verdammt«.
»Wie habt ihr das zustande gebracht?«, brachte ich mühsam beherrscht hervor.
»Er hat das Fenster aufgemacht«, grollte Lysander. »Und Milena hat unter Beweis gestellt, wie rasch sie eine Verwandlung vollziehen und aus ihrer Kette schlüpfen kann. Deshalb ist sie vermutlich auch so willig mit Dr. Rosenstein nach Prag gekommen.«
»Weil sie schon geahnt hat, dass irgendein Idiot ihr vor Ort eine Fluchtmöglichkeit bieten wird«, vervollständigte ich Lysanders Satz.
Mirko sah betroffen drein. »Es tut mir wirklich sehr, sehr leid. Aber ich habe mir nichts dabei gedacht.«
Ich verbiss mir meine Empörung und rief mir stattdessen die erste Lektion in Erinnerung, die ich dem Jungen beigebracht hatte: Niemand war davor gefeit, Fehler zu machen. Die Ausbildung würde zwar die Risiken minimieren, wirklich dumme und banale Schnitzer zu begehen; für die großen, fatalen Fehler blieb dennoch Raum genug. (Danach hatte ich eine enervierende Viertelstunde damit zugebracht, ihn in das Mysterium einzuweihen, wie einem weichen Ei beizukommen war, ohne sich als Barbar auszuweisen.)
Mirko war wohl demselben Gedankengang gefolgt, denn er fragte mich bange: »Schnitzer oder fataler Fehler?«
»Zu dumm, um noch ein Wort darüber zu verschwenden.«
Keckernd verschaffte sich Lysander Gehör, um auf ein ungleich relevanteres Thema zu sprechen zu kommen. »Wir müssen Dr. Rosenstein warnen, dass Schwierigkeiten im Anflug sind.«
»Rasch, Papier und Bleistift«, verlangte ich. Mirko fischte sein zerschlissenes Notizheft und einen Bleistiftstummel aus seiner Tasche. Die Botschaft, die ich noch im Stehen verfasste, fiel entsprechend knapp aus: Milena entflohen, kommen Sie sofort zurück . Ich riss die Seite aus dem Heft und schickte Mirko mit der Nachricht in das Nachtcafé zwei Häuser weiter, wo sich gewiss ein Botenjunge auftreiben ließ, der klug genug war, den Doktor der Beschreibung nach zu erkennen und ihm die Nachricht auszuhändigen.
Es fiel mir schwer, Mirko nicht zu zürnen. Ein dummer Fehler hatte die einzige Möglichkeit genommen, an den Fuchs heranzukommen. Nun würden die Verschwörer vorsichtiger
denn je zuvor agieren. Die Zeit drängte jedoch, und wir hatten all unsere Chancen vertan …
Der Einspänner, der in jenem Moment vor uns zum Stehen kam, unterbrach meine düsteren Überlegungen. Mit Verwunderung sah ich Simon, den altbewährtesten Dienstboten im Trubic’schen Haushalt, aus dem Wagen klettern. »Herr Baron! Gut, dass ich Sie endlich finde! Seine gräflichen Gnaden müssen mit Ihnen sprechen!«
Felix erwartete uns im Gelben Salon – dem ehemaligen Kartenzimmer, das seine Umbenennung der Abneigung des Hausherrn gegen Kartenspiele jeglicher Art sowie der in Beige und Ocker gehaltenen antiquierten Weltkarte, welche sich über eine ganze Wand erstreckte, zu verdanken hatte. Felix wirkte auf mich so müde und schwach, dass ich erleichtert war, ihn überhaupt auf den Beinen zu sehen.
Nach einer freundlichen Begrüßung lud er uns ein, an dem ehemaligen Kartentisch Platz zu nehmen, der nun mit allerlei Schreibwaren bedeckt war. Aus einem aufklappbaren Globus produzierte er eine Brandykaraffe und Gläser; er schenkte uns ein und begann zu erzählen. »Der Herr in meinem Weinkeller und ich kamen vor ein paar Stunden, als es mir besser ging, ein wenig ins Gespräch. Und da fiel mir etwas auf, das mir in meiner miserablen Verfassung heute Mittag erstaunlicherweise entgangen war: Als ich ein Knabe war, kannte ich den Herrn als Marius von Landsberg. Mittlerweile hege ich gewisse Zweifel, dass der klangvolle Name ihm wahrhaftig zusteht.«
Felix lehnte sich in seinem Sessel zurück, genoss unser Staunen. »Er war ein guter Bekannter meines Vaters«, teilte er uns dann mit, als sei dies Erklärung genug. »Natürlich war er damals noch erheblich älter und bärtiger, wohl auch etwas stämmiger.
Allesamt Gründe, die dazu beigetragen haben mögen, dass ich ihn zunächst nicht erkannt habe.«
Mirko, der
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