Des Teufels Maskerade
schaden, ein bisserl in den Bibliotheken zu wühlen und zu schauen, ob’s in der Familie Trubic irgendwelche Sympathisanten der Katholischen Liga gab?«
Gewiss, es schadete nichts. Leider brachte es uns auch keinerlei Erkenntnisse. Volle vier Tage bezogen Mirko, der allzu willig einmal mehr die Rolle des treuen Adlatus einnahm , und ich Quartier in der im Clementinum gelegenen Universitätsbibliothek, um notwendigen Recherchetätigkeiten nachzugehen. Auf das Sorgfältigste durchstöberten wir Folianten um Folianten, durchforsteten systematisch Chroniken und originale wie gefälschte Handschriften auf den geringsten Hinweis nach der Familie Trubic. Unglücklicherweise, so zeichnete sich alsbald ab, hatte die Familie sich nicht nur von den protestantischkatholischen Zwistigkeiten ferngehalten, nein, auch später hatte keiner der Trubics auch nur das entfernteste Interesse an
Politik und Revolution gezeigt. Geradezu unnatürlich ruhig hatten sie sich verhalten.
Was selbstverständlich ein höchst ermutigendes Zeichen war, so überlegte ich mir eines Nachmittags, als ich in einem wohlverdienten Augenblick der Muße in der sonnigen Fensternische meines liebsten Kaffeehauses über einer Tasse englischen Tees unsere bisherigen, dürftigen Erkenntnisse überdachte. Wenn eine wohlsituierte Familie von Stand sich augenscheinlich solch große Mühe gab, sich aus allen politischen Verwicklungen, aus allen Kabalen und Skandalen herauszuhalten, dann war dies weit mehr als nur ungewöhnlich.
Doch konnte man aus derart winzigen Details, dem NichtVorhandensein von Hinweisen, tatsächlich auf ein planvolles Vorgehen schließen? Wollte die Familie Trubic aufgrund einer früheren Schuld unbemerkt bleiben, ja, vergessen werden?
»Mit drei Überseekoffern ist sie angekommen, heute Abend«, erläuterte Lysander zwischen zwei hastigen Bissen. Erst vor wenigen Minuten war er, erschöpft und zerzaust, in unserer gemeinsamen Wohnung angekommen, wo er nun im Salon vor dem unbeheizten Kamin eine Mitternachtsmahlzeit aus halbgarem Fisch und Erbsengemüse verschlang.
Lysander, der während unserer Bibliothekssuche mit der Überwachung von Trubics Stadthaus beauftragt worden war, wusste anders als wir Handfesteres zu berichten: Das Palais beherbergte neben dem Grafen offenkundig seit neustem eine weitere Person.
»Ein Gepäck, das im Übrigen die logistischen Möglichkeiten des Trubic’schen Haushalts bis an die äußersten Grenzen ausreizte. Zum Schluss haben der alte Butler, der Hausdiener und
der Kutscher gemeinsam die Koffer in die Halle gezerrt. Viel hätte nicht gefehlt und das Fräulein hätte Anstalten gemacht, bei dem Manöver selbst Hand anzulegen.«
Lysander hob den Kopf, Verschlagenheit stand ihm ins pelzige Gesicht geschrieben.
»Tatsächlich?«, erwiderte ich und fuhr ungerührt fort, in der Zeitung zu blättern. Den Triumph, dass ich die Beherrschung verlöre und nach dem Mädchen fragte, würde ich ihm nicht gestatten. Da mochte er noch Stunden mit seiner umständlichen Erzählung fortfahren.
Es war Mirko, der meine Pläne durchkreuzte. »Von dem Fräulein wollen wir hören, nicht von ihrem Gepäck«, fuhr er ungeduldig dazwischen.
Mit unschuldigen Kulleraugen musterte uns Lysander. »Das Fräulein?«, fragte er und putzte mit den Pfoten seine fettige Schnauze. »Aber natürlich, das Fräulein. Ich dachte nur, es wäre stilistisch ein wenig ansprechender, euch das Gesamtszenario zu umreißen. Die Kunst der Erzählung liegt schließlich in der farbenfrohen, rhetorischen Umsetzung der zu schildernden Ereignisse. Das wussten schon die fahrenden Sänger des Mittelalters – und sie taten wohl daran, sonst wären dem ignoranten Abendland Geschichten wie die der Nibelungen längerfristig wohl kaum in Erinnerung geblieben.«
»Das Fräulein«, wiederholte Mirko streng, »nicht die Nibelungen.«
»Sie war jung, sehr jung. Obwohl sie einen Hut trug – einen ausnehmend hässlichen, neumodischen Hut, der gewisse Ähnlichkeiten mit einer Bratpfanne aufwies –, gelang es mir, einen ausführlicheren Blick in ihr Gesichtchen zu werfen. Ganz reizend, vielleicht noch etwas zu rund. Allerhöchstens achtzehn, schätze ich.«
Nach dieser ersten klaren Aussage sprang er neben mich auf das Sofa und streckte sich träge auf den Kissen aus. »Dem Trubic
ist sie gleich um den Hals gefallen, nicht sehr damenhaft, aber bitte. Und der Trubic küsst sie doch tatsächlich …«
»Wie bitte?«, entfuhr es mir.
»… vor den
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