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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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springen lassen – deshalb das Gerede von Bluttag und so fort. Na ja, und seither ist die Familie
verflucht. Wenn Trubic sich bis zum Jahrestag des Mordes nicht bei der Mischpoche des Verschiedenen entschuldigt, oder was auch immer sie wollen, wird auch er ermordet.« Sie nahm sich ein weiteres Stück Kuchen. »Was außerordentlich schade wär’. Hab’ ja noch immer die Hoffnung nicht ganz begraben, dass er sich eines Tages doch noch hinreißen lässt zu – na, ihr wisst schon.«
    Sie hob eine Hand. »Vor dem Kind keine Schweinereien bitte, aber ich sag euch, sogar den Marchese würd’ ich dann stehen lassen. Unter Umständen.«
    »Der heilige Wenzel«, antwortete Mirko.
    Energisch stellte Esther ihren Teller weg. »Pfui Teufel, Junge, du solltest dich schämen. Über Heilige reißt man keine dreckigen Witze, da möcht’ der Herrgott vor sein.« Rasch bekreuzigte sie sich.
    Fröhlich keckernd schaltete sich nun auch Lysander ein. »Doch nicht für dein Bett, Esther. Als Retter Böhmens, meint unser historisch bewanderter Schlauberger.« Umständlich begann er seine Schnurrhaare zu ordnen, setzte sich auf die Hinterbeine  – ein untrügliches Anzeichen, dass er Kräfte sammelte für einen längeren Vortrag.
    Ich seufzte. Ich liebte meine Freunde, aber es gab Augenblicke, da hätte ich ihnen allen mit Vergnügen den Schwarzen Tod an den Hals gewünscht.
    »Nun«, begann Lysander bedeutungsvoll, »der Mord an einem Heiligen wäre gewiss ein Grund, einen Fluch auf eine ganze Familie zu ziehen. Allein weist deine These ein chronologisches Problem auf: Trubic, wie dir bekannt sein dürfte, Mirko, ist ein Name serbischer Herkunft. Wenn man ein wenig in ihrer Familienchronik stöbert – was ich, wie ich betonen möchte, mit der ausdrücklichen Zustimmung des Grafen schon vor vielen Jahren getan habe –, wird man recht bald vor die Tatsache gestellt, dass die Trubics bis zur zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts vollauf damit beschäftigt waren, ihre Besitztümer und die Militärgrenze zwischen dem Osmanischen und dem Habsburgischen Reich zu sichern. Sie fochten und kümmerten sich keinen Deut, was im fernen Böhmen vor sich ging. Erst um 1600 kam der erste Graf Trubic nach Prag. Und zu jenem Zeitpunkt weilte der heilige Wenzel schon längst unter Engelsscharen.«
    »Um 1600, sagst du?«, wiederholte ich, einer jähen Eingebung folgend.
    Lysander nickte.
    »Man sagt, das Blut sei in Bächen über den Marktplatz geflossen«, warf ich ein, was mir wiederum einen verwirrten Blick Lysanders eintrug. »Der Bluttag ist der 21. Juni des Jahres 1621, als nach verlorenem Gefecht die Anführer der Schlacht am Weißen Berg, samt und sonders tschechische Herren von Stand und Namen, von den siegreichen Habsburgern auf das Barbarischste niedergemetzelt wurden.«
    Mehr als sechzig Herren hatten an jenem Tag vor der gaffenden Menge auf dem Altstädter Ring den Tod gefunden, weil sie an einen Gott und an das Recht der Selbstbestimmung ihres Landes glaubten. War einer von ihnen der besagte Retter Böhmens?
    Für einen Augenblick ersann ich mir das Bild eines stolzen jungen Mannes, der kühne Visionen spann; der am Ende aller Schlachten sein Land in Frieden und Freiheit zu sehen meinte; und ein falscher Kamerad stand an seiner Seite, lauschend, abwartend, auf den Lippen Felix’ Lächeln.
    Mirko holte mich aus meinen Phantastereien zurück in die Wirklichkeit.
    »Und es ging um den böhmischen Protestantismus«, sagte er, sichtlich stolz auf seine mühsam memorierten Geschichtslektionen. »Vielleicht hatte der gesuchte Trubic-Ahne ja mit der Ermordung von Jan Hus zu tun?«

    Ich stöhnte leise. Mirko durfte mit Fug und Recht ein infernalisches Talent, historische Fakten und Zeitfolgen in Unordnung zu bringen, sein Eigen nennen.
    »Ist dir zufälligerweise nach Lektüre der Chronik auch bekannt, welche Rolle die Familie Trubic in den Kämpfen gespielt hat?«, erkundigte ich mich bei Lysander, nicht zuletzt, um mich von einem rüden Kommentar hinsichtlich Mirkos Unbildung abzuhalten. Mein alter Kamerad war jedoch bereits wieder zur Gänze von Alena in Beschlag genommen worden. Ausgelassen wie ein junges Wiesel rollte er mit ihr über den kostbaren Perserteppich.
    »Bedaure«, erklärte er zwischen zwei spielerischen Sprüngen. »Darüber schweigt die Chronik – wie Chroniken es nun einmal zu tun pflegen.«
    Resignierend seufzte ich, während sich in Esthers Gesicht ein Lächeln ausbreitete. »Na, meine Herren, was kann’s denn

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