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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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bepisst, mindestens; und macht mir ein Riesengeschrei, dass er unbedingt den Baron sehen muss, jetzt sofort und auf der Stelle. Das ganze Haus ist zusammengelaufen, zum Glück hat keiner recht verstanden, was eigentlich los ist!«
    Auch wenn ich Esthers Missvergnügen über den Verlauf der Dinge nachvollziehen konnte, so schien mir ihr Urteil über den Friedhofswächter etwas harsch: Bei den unerfreulichen Erfahrungen, die er bereits mit dem Vampir gemacht hatte, musste es ihm als Zeichen der Tapferkeit hoch angerechnet werden, dass er Schritte unternommen hatte, uns über die Wiederkehr des Nosferatu in Kenntnis zu setzen. Immerhin, vor drei Jahren, als der Vampir zum letzten Mal Prag heimgesucht hatte, war es Lysander und mir nur mit knapper Not gelungen, den Herrn Jaroslav aus seiner tödlichen Umklammerung zu befreien.
    »Dieser verfluchte Nosferatu!«, ließ ich meinem Zorn über die neuerlichen Komplikationen freien Lauf. »Kaum ist man in einen anderen – und, wie ich betonen möchte, ungleich relevanteren  – Fall verstrickt, hat er partout nichts anderes zu tun, als Prag wieder zu seinem Jagdgebiet zu erklären. Wir haben keine Zeit für solche Nichtigkeiten!«
    »Eigentlich«, warf Lysander ein, »haben wir mit dem Vampir nichts mehr zu tun. Wann wurdest du denn zum letzten Mal dafür bezahlt, dass du dich mit ihm abgibst?«

    »Im Frühling 1901«, antwortete ich zögerlich. Damals hatten mich Stadtoffiziale auf die Fährte des Vampirs angesetzt, nachdem es zu einem Zwischenfall bei einer spätabendlichen Trauerfeier in der Rotunde auf dem Vyšehrad gekommen war. Tatsächlich war es mir gelungen, den Vampir zur Abreise zu bewegen, und ich hatte ein recht großzügiges Honorar erhalten. Doch nun war der Vampir wiedergekehrt – es gab eine Verantwortung, der man sich nicht entziehen konnte.
    Mirko hob den Kopf. »Ich könnte den Vampir übernehmen«, erbot er sich.
    Fasziniert von den gängigen Vampirdarstellungen der schauderhaft populären Schundliteratur war er ganz versessen darauf, eines Tages einem echten Untoten gegenüberzustehen, um ihm einen Pflock durch das Herz zu rammen, und so die Welt von einem weiteren Übel zu befreien. Dass der tatsächliche Umgang mit Vampiren mit jenen romantisierenden Fiktionen wenig zu tun hatte, hatten Lysander und ich ihm bereits wiederholte Male – vergeblich – zu vermitteln versucht.
    »Hast du den Verstand verloren?«, herrschte Lysander den Jungen an. »Was verstehst du schon von Vampiren? Bist du so ein Dummkopf, dass du den Legenden glaubst, die zur Abschreckung und Unterhaltung von Tölpeln und Träumern dienen?« Aufgeregt fauchte er. »Vampire sind Raubtiere, unberechenbar und launenhaft. Solange der menschliche Aspekt ihrer Seele überwiegt, so kannst du noch mit ihnen argumentieren, doch je älter sie werden, desto mehr überlagern die Instinkte des Raubtiers die Vernunft des Menschen. Und dieser Nosferatu ist sehr alt.«
    Ernst fügte er hinzu: »Mag sein, dass wir unsere Scherze über den Vampir reißen, doch steht man ihm erst gegenüber, da verspürt selbst der Tapfere zuweilen mehr als nur ein leises Unbehagen. Und auch wir, die wir Erfahrung haben im Umgang mit diesem Nosferatu, wissen nicht, ob nicht irgendwann
der Tag kommt, da sich seine Jagdgier gegen uns richtet – allen Versprechungen und Freundschaftsbekundungen zum Trotz.«
     
     
    Ich stimmte Lysander zu, und dennoch: Vielleicht tat ich Mirko Unrecht, ihn stets von den allzu riskanten Aspekten unseres metiers abzuschirmen, als sei er noch immer der halbwüchsige Knabe von einst. Vielleicht sollte er dem Vampir begegnen, sollte erleben, was Gefahr wirklich bedeutete, ehe ich ihn fort, hinaus in die Welt schickte?
    Solche und ähnliche Gedanken beschäftigten mich, während Lysander und ich in einer Mietdroschke die steile Straße hinauf zum Vyšehrad, dem alten Burgberg Prags, holperten. Wie bezeichnend war es doch für den Vampir, dass er sich ausgerechnet die Überreste der alten Festung, von deren Mauern die sagenumwobene Königin Libuše mit ihrem Gemahl Premysl vor langer Zeit auf die Stadt hinabgeblickt haben, zu seinem bevorzugten Quartier erwählt hatte.
    Am Leopoldstor, knapp vor der Rotunde, ließ ich den Kutscher anhalten. Zu Fuß setzten wir unseren Weg fort, leise und heimlich, den finsteren Gestalten der Nacht gleich.
    Neben ihrer Unberechenbarkeit und tierhaften Sinnesschärfe ist mit Sicherheit ihre Fähigkeit, sich völlig lautlos und mit übermenschlicher

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