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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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hinwegzugleiten, in weite Ferne gerichtet. »Denn an ihn war der Brief gerichtet. Wie gut entsinne ich mich des Morgens, da er das Billett auf dem Frühstückstisch vorfand: Sehr bleich wurde er, bis zum frühen Abend schloss er sich in seinem Arbeitszimmer ein. Meine Mutter, meine Schwestern, ich, bang strichen wir vor der Tür auf und ab und wagten doch nicht, anzuklopfen. Dann rief er mich, seinen einzigen Sohn, zu sich, und er erzählte mir von den unheimlichen Ereignissen, die den Tod meines Großvaters einst begleitet hatten. Der war, so führte mein Vater aus, eines Herbstmorgens blutüberströmt im Bett vorgefunden worden. Zwölf Messerstiche wies sein Brustkorb auf, und – das war jenes Element, das meinen Vater am heftigsten zu beunruhigen schien – an seiner rechten Hand steckte ein Ring, den kein Familienmitglied jemals zuvor gesehen hatte. Ohne recht zu wissen, was er tat, hatte mein Vater damals seinem Vater den Ring abgezogen und ihn fortan aufbewahrt. Nun, an jenem Abend legte er den Ring in meine zitternden Hände und ließ mich schwören, dass ich ihn immer bei mir tragen und mich der Tragödie meiner Familie entsinnen würde.«
    Trubic fixierte mich jetzt. »Ich wusste, dass ich meinen Vater
zum letzten Mal gesehen hatte, damals, als ich das Arbeitszimmer verließ, und doch wagte ich es nicht, mich zu verabschieden. Wenig später hörten wir den Schuss.«
    Lysander war der Erste, der seine Sprache wiederfand. »Das tut mir sehr leid«, murmelte er.
    Trubic nahm die Kondolenz gelassen hin. »Es ist schon lange her.«
    »Der Ring?«, fragte ich. »Der Fuchsring?«
    Felix Trubic nickte langsam. »Der Fuchsring.«
    Unwillkürlich stiegen Erinnerungen in mir auf, Erinnerungen, die ich nicht haben wollte: der Moment, in dem ich den kleinen, alten Silberring mit der eingravierten Fuchsgestalt, den Trubic stets an einem Lederband unter der Kleidung um den Hals getragen hatte, zum ersten Mal zu Gesicht bekommen hatte; als ich mich allzu willig von der einen oder anderen interessierten Frage hatte ablenken lassen; als … Ich schüttelte den Kopf, als könne ich so die Geister der Vergangenheit vertreiben, meine Sinne wieder wachrütteln.
    Sorgfältig verstaute Trubic die beiden Briefe in seinem Jackett und zündete sich eine Zigarette an. Sinnend blickte er in die kleine Flamme, bis das Streichholz beinahe heruntergebrannt war und seine Finger versengte.
    »Wir übernehmen den Fall«, sagte Lysander an meiner statt.
    »Unter einer Bedingung«, fügte ich eilig hinzu.
    Trubic blickte mich spöttisch an. »Die da wäre?«
    »Du beantwortest mir eine Frage: Weshalb hast du dich noch mit Waldhausen abgegeben?«
    »Ich sagte dir doch bereits, wir hatten geschäftliche Vereinbarungen.«
    »Ich glaube dir nicht.« Mein inquisitorischer Tonfall entsetzte mich. Was kümmerte mich, mit wem Trubic aus welchen Gründen Umgang pflegte?
    Doch Trubic zuckte nur die Achseln. »Dann tust es eben
nicht.« Gleichmütig fügte er hinzu: »Ich werde euch beide mehr als angemessen entlohnen, wenn ihr mir weiterhelft.«
    »Wir nehmen an«, wiederholte Lysander. Seine schwarzen Augen glänzten.
     
     
    »Der Retter Böhmens. Der Tag des Bluts – was soll das denn heißen?« Mit gerunzelter Stirn ließ Mirko seine Blicke zwischen Esther und mir schweifen, als wir am selben Nachmittag im Salon meiner Wohnung zusammensaßen.
    Lysander hatte sich mit einiger Vehemenz temporär der Denkarbeit verweigert und sich Esthers entzückender Tochter Alena angenommen, welche die kleinen Kunststückchen, die er ihr vorführte, mit begeisterten, entnervenden Quietschlauten quittierte.
    »Masarýk?«, schlug Esther vor. »Ein großer, ein brillanter Mann ist das, hab’ erst letztens in der Zeitung eine Denkschrift von ihm gelesen. Wenn einer Böhmen in die Unabhängigkeit führen kann, dann er.«
    Ich verbarg mein Grinsen hinter einer Tasse Zitronentee. »Wenn du jetzt noch Trubics Ahnen in irgendeinen Kontext zu Masarýk stellen kannst, wird dir meine immerwährende Bewunderung sicher sein.«
    Nachdenklich tippte Esther mit Daumen und Zeigefinger an ihr Kinn. »Hast ja Recht, es muss ein Mord gewesen sein, der weit in der Vergangenheit begangen wurde, wenn das arme Großväterchen deswegen schon daran glauben musste.«
    Mirko zerbröselte einen Butterkeks auf seiner Serviette. »Mord?«
    »Ist doch sonnenklar, meine ich«, erklärte Esther, den Mund voll Rosinenkuchen. »Einer von Trubics Ahnen hat den Retter Böhmens über die Klinge

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