Des Teufels Maskerade
Gruppe politischer Aufrührer einen jungen Mann entführt hätte, und Schlimmes bevorstand und dass es einer sofortigen polizeilichen Intervention bedürfe. Wie üblich, wenn »sofort« und »Polizei«
in einem Satz fallen, dauerte es noch sehr lange, bis die Operation begann. (Schon allein deshalb, weil ich mich mit einer Unzahl ignoranter Beamten herumschlagen musste, ehe ich an einen Kommandanten weitergereicht wurde, der meine Identifikationsmarke überhaupt erkannte!)
Was in der Zwischenzeit geschah, kann ich Ihnen nur aus zweiter Hand schildern, nachdem ich mich gestern Nacht mit Meister Alvin Buckingham darüber unterhalten habe: Denn er war von seinen Mitverschwörern aufgegriffen und des Verrats an der Bruderschaft bezichtigt worden! Zu seinem Glück hatten die vier anwesenden Herren Verschwörer beschlossen, nichts zu unternehmen, bis nicht der Fuchs erschienen sei.
Ein Mindestmaß an Anstand ist ihnen dabei nicht abzusprechen: Obgleich sie den Vampir mit Fackeln bedroht hatten, hatten sie ihn doch unter Decken und Planen in einem Kasten versteckt, als die Sonne aufgegangen und er in seine Starre verfallen war.
In jenem Kasten fanden ihn dann auch bald die tapferen Polizeibeamten, als wir zu früher Morgenstunde endlich das Haus stürmten. Zu meinen tiefen Bedauern muss ich festhalten, dass es uns nicht gelang, auch nur einen der vier Verschwörer festzunehmen – einem war die Flucht gelungen, einer wurde im Schusswechsel getötet, einer hatte so schwere Verletzungen, dass er ihnen noch gestern Nachmittag erlag, und der Letzte hatte sich selbst gerichtet. (Ich muss an dieser Stelle hinzufügen, dass auch zwei Polizeibeamte den Tod fanden und drei weitere mit kritischen Verwundungen behandelt werden mussten.)
Was wir sicherstellen konnten, waren einige Papiere, Briefe und Aufzeichnungen, die uns vielleicht genauere Hinweise zur Verschwörung des Fuchses und der Beteiligten liefern werden. Die Centrale nimmt sich gegenwärtig ihrer Durchsicht an.
Ein Wort noch zu Buckingham, dem Vampir: Meine Bitten, er möge uns nach Wien begleiten, verhallten ungehört. Seien Sie auf der Hut!
Ich hoffe, unsere Wege werden sich eines nicht allzu fernen Tages wieder kreuzen, Baron. Bitte verabsäumen Sie nicht, mir Bescheid zu geben, sollten Sie wieder einmal Wien besuchen.
Stets der Ihre,
A. R.
18
PRAG 7. JULI 1909
AUS DEN AUFZEICHNUNGEN BARON SIRCOS, PRAG, 7. JULI 1909
Unter sämtlichen Persönlichkeiten, die ich niemals im Palais Trubic anzutreffen geglaubt hätte, stand František Čapek gewiss an vorderster Front (noch vor Seiner Kaiserlichen Hoheit; bei Felix konnte man nie wissen). Und doch fand ich ihn an jenem Nachmittag im Garten des Palais vor, wo er mit der Comtesse auf der Terrasse saß, den betroffenen Mienen zufolge in ein ernstes Gespräch vertieft.
Ich beging den schwerwiegenden Fehler, im Zuge der Begrüßungsformalitäten seine Anwesenheit in Prag zu kommentieren. Wie nicht anders zu erwarten, fiel seine Erklärung hierzu höchst ausführlich aus: »Ja, ich hatte die Ehre, von der Lili … von der Comtesse, will ich sagen, eingeladen zu werden, dass ich sie besuch’. Gestern Abend hab’ ich ein Telegramm erhalten: Komm so schnell Du kannst, schreibt sie mir, und da war ich so froh, dass sie mich wiedersehen will, dass ich alles hab’ stehen und liegen lassen und gleich mit dem Frühzug hergekommen bin.«
Lili Trubic lauschte dem Redeschwall ihres Kavaliers und rückte die Rosenblüte, die in ihrem Haar steckte, zurecht. »František, wärst du wohl so freundlich, und würdest mich einen Moment mit dem Herrn Baron alleinlassen?«
Er schien bestürzt, und auch ein wenig beleidigt, setzte sich dann jedoch widerspruchslos in Bewegung.
»Sie bringen Neuigkeiten, Baron?«, erkundigte sich Lili, als er sich endlich außer Hörweite entfernt hatte.
»Sie müssen fort, Comtesse«, sagte ich einfach. »Wie Buckingham selbst es Ihnen angeraten hat. Er hat sich in den Kopf gesetzt, in Prag zu bleiben. Früher oder später wird er der Versuchung, Sie zu« – ich flüchtete mich in eine wortreiche Geste und einen Euphemismus – »besuchen, nicht widerstehen können.«
Lili nickte versonnen. »Das wollen wir auch tun, fortgehen – František und ich. Vielleicht nach Wien, oder nach Triest. Es gibt so viele Möglichkeiten. Natürlich«, fügte sie eilig hinzu, »werden wir heiraten.« Als stünde es mir zu, die Moral ihres Lebenswandels infrage zu stellen!
Ihr Blick verfing sich an
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