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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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Kontakt treten konnten.

    Soweit es für mich von meinem Platz, zwei Reihen schräg hinter ihr, erkennbar war, zeigte Fräulein Trubic nicht das geringste Interesse an der niveaulosen Vorstellung. Hingegen schien der junge Mann am Piano, der mit scheußlichen Gassenhauern die ebenso scheußlichen Schwänke begleitete, ihre gesamte Aufmerksamkeit in Bann gezogen zu haben.
    Du ahnst es schon, Dejan, und auch ich wusste in jenem Moment, was Lilis Handlungen motiviert hatte. Mirko merkte es nicht, er war viel zu beschäftigt, seine feiste, nach Küche riechende Sitznachbarin auf Distanz zu halten und gleichzeitig die kleine Trubic anzustarren. (Dass er bis jetzt nicht mein Diktat unterbrochen hat, um sich über meine tendenziösen Schilderungen zu ereifern, mag Dir als Schuldeingeständnis genügen.)
    Du kannst Dir meinen Schrecken vorstellen, als Lili, kaum dass das Spektakel sein Ende gefunden hatte, geradewegs auf uns zusteuerte.
    »Ich kenne Sie«, schleuderte sie mir entgegen. »Sie sind der Lord, der zu einem Otter wurde. Mein Vater hat mir von Ihnen und Baron Sirco genug erzählt, dass ich Ihnen auf der Stelle sagen kann: Was immer Sie von mir wollen – und so schwer ist es nicht zu erraten  –, tun werde ich es nicht!«
    Glücklicherweise war ich geistesgegenwärtig genug, keine scharfen Worte zu erwidern; das hätte bei den Umstehenden doch für eine gewisse Verwunderung gesorgt. Stattdessen nutzte Mirko die Gelegenheit, sich vorzustellen, was wiederum dem Pianisten, der sich uns mittlerweile wortlos angeschlossen hatte, missfiel. So fühlte er sich bemüßigt, die kleine Trubic mit erhobener Stimme zu fragen, ob dieser Fremde sie belästigt hätte … Kurz und gut, die Situation eskalierte ein bisschen, wie derartige Situationen nun einmal zuweilen zu eskalieren pflegen, wenn drei hitzköpfige junge Leute daran beteiligt sind.
    Ungeachtet der Unhöflichkeiten, die Lili Trubic uns an den Kopf geworfen hatte, ließen Mirko und ich es uns doch nicht nehmen, sie
nach Beendigung der Diskussion zurück in ihre Pension zu begleiten. Ihr Verehrer hatte sich zur nächsten Vorstellung wieder an sein Klavier begeben müssen; zuvor war es Lili gelungen, ihn zu überzeugen, dass wir – das heißt Mirko, natürlich war ich noch zu der Rolle des schweigenden Beobachters verdammt – zwar abscheulich, doch keineswegs gefährlich waren.
    »Ihr Vater möchte, dass Sie wieder nach Hause kommen«, log ich, kaum dass die Tür zu ihrem Zimmer ins Schloss gefallen war, worauf Lili mit einer Phrase, die schon in Goethes Theaterstück nicht zu Papier gebracht werden hätte sollen und die in den Mund zu nehmen ich mich beständig weigere, antwortete. Sogleich schaltete sich Mirko ein, um ihr zu versichern, wie sehr der Herr Graf um sie bange, und so weiter und so fort, bis sie ganz hellrot anlief.
    Ein Schuft sei ihr verehrter Herr Vater, rief sie aus. Uns beide auf ihre Spuren zu hetzen! Dass er sie endlich in Frieden lassen solle! Ob er nicht wüsste, was sie alles durchgemacht habe!
    Letztere Aussage hielt ich für ein geeignetes Stichwort, nachzuhaken, was denn eigentlich so Furchtbares geschehen sei.
    So, und jetzt stell die Teetasse weg, Dejan, alter Freund, so viel gutes Geschirr haben wir nicht mehr, dass Du nach Lust und Laune damit herumwerfen kannst. Ich habe eine außerordentliche Neuigkeit für Dich, die unser verlogener Graf Trubic uns vorenthalten hat: Lili Trubic, die arme Kleine, war von ihrem Vater auserkoren, den Oberst von Waldhausen – das Schwein, wie Esther ihn so blumig bezeichnete – zu ehelichen. Für ihn hatte sie die Liebe ihres jungen Lebens, besagten Pianisten, aufzugeben (den sie übrigens in Brünn, wo beide bis vor ein paar Wochen lebten, kennengelernt hatte).
    Auf meine arglose Erkundigung, wie sich denn nun die Drohungen unseres bluttrinkenden Freundes in das Rätsel fügen, reagierte das liebreizende Geschöpf zu meiner größten Verwunderung abermals unangemessen unflätig, und erklärte jegliche Unterredung zwischen uns beiden für beendet.

    Wirklich, Dejan, reise so rasch wie möglich nach Wien, nicht erst zu der gottverdammten Grand-Prix-Fahrt. Ich habe das unangenehme Gefühl, dass wir Dich bald brauchen werden. Mit Deinen großartigen blonden Locken machst Du sicherlich einen wohlgefälligeren Eindruck auf junge Damen denn Mirko und ich zusammen.
     
    Lysander

AUS DEN AUFZEICHNUNGEN BARON SIRCOS, PRAG, 23. JUNI 1909
    Felix stand am Fenster, die Hände hinter dem Rücken

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