Des Teufels Maskerade
hinter meinem Kopf.
»Die Drachen haben mir geholfen«, antwortete Felix einsilbig.
»Und die Reiter?«
»Verbrannt.« Er zuckte die Achseln .
Heute, bei Einbruch der Dunkelheit, werde ich ihm helfen, die Drachen zu holen. Gott mag wissen, wie wir sie nach Wien schaffen sollen.
22. September 1896 (später Nachmittag)
Yosch weiß mehr, als er wissen sollte.
»Der Herr Hauptmann verstehen sich ja gut mit dem Trubic«, mit diesen Worten hatte er sich soeben an mich herangepirscht, als ich im Salon meine Korrespondenz erledigen wollte. »Dem Grafen Trubic«, verbesserte er sich sogleich spöttisch.
Mir fror das Blut in den Adern, doch ich glaube, ich war erfolgreich darin, mir meinen Schrecken nicht anmerken zu lassen.
»Sie wünschen, Yosch?«, fragte ich kühl, was er als Aufforderung sah, sich mir gegenüber niederzulassen.
»Gar nichts wünsche ich«, sagte er höchst impertinent. Mit einem Taschentuch betupfte er sich die breite, schweißglänzende Stirn. »Aber vielleicht wünschen Sie ja was, Herr Hauptmann?«
Ich war klug genug, schweigend abzuwarten, bis Yosch weitersprach.
»Stellen Sie sich einmal Folgendes vor: Da wäre ein Offizier in einem Regiment, und der hätte so seine Neigungen … Nicht ganz koscher, aber keiner hätte es gemerkt, weil der Offizier weiß, wie er geheim hält, was geheim gehalten werden soll. Nur macht er dann den Fehler, sich mit einem Kerl, über den das halbe Regiment tratscht, einzulassen, mitten am Vormittag. Und vielleicht hört einer, der hinzuhören weiß, ein bisschen mehr, als gut für den Herrn Hauptmann wäre.«
Er verstummte und sah mich erwartungsvoll an.
»Scheren Sie sich zum Teufel, Yosch«, sagte ich. Was ein Fehler war, denn nun weiß ich weder, was ich ihm hätte anbieten sollen, um mir sein Schweigen zu erkaufen, noch, ob er vorhat, den Vorfall Waldhausen zu melden.
23. September 1896
Waldhausen weiß von allem. Felix ist Hals über Kopf mit den Drachen verschwunden. Mir droht das Militärgericht. Ich habe Yosch erschossen.
Ich bin ruiniert.
AUS DEN AUFZEICHNUNGEN BARON SIRCOS, PRAG, 19. JUNI 1909
»Bravo, Schlauberger«, tadelte mich Esther, kaum hatte ich fassungslos Brief und Tagebuchauszüge weggelegt.
»Was hebt der Herr auch so eine Geschichte in einer Hutschachtel auf? Bei allem, was der Mirko hat durchmachen müssen in seinem jungen Leben. Na, da tät’ es mich nicht wundern, wenn ein Stückerl Misstrauen bleibt. So einer wie der Mirko denkt doch gar nicht dran, dass noch irgendeiner freundlich sein könnt’ um der Freundlichkeit willen.«
Aufgeregt bewegte sie ihren Fächer aus japanischer Seide – ein Geschenk des ebenso wohlhabenden wie freigiebigen Marchese, auf den wir seit einer guten halben Stunde in einem Gartenlokal auf dem Petřín-Hügel warteten.
Feinselig starrte ich einmal mehr auf die Tagebuchseiten hinab. Nur allzu gut erinnerte ich mich an die fieberhafte Hast, in der ich die wenigen Zeilen des letzten Eintrags verfasst hatte. Der laue Abendwind trug Erinnerungen herbei aus dem Dunkel der Vergangenheit, verwehte all die Illusionen, mit denen wir uns zu umgeben pflegen, wenn die Wahrheit unerträglich scheint. Der Gestank von Blut und Schande würde mir stets anhaften, wie viele Jahre auch verstreichen mochten.
»Mit dem Trubic also, so war das.« Nachdenklich kaute Esther an ihrer Unterlippe. »Warum hast du mir denn nichts davon erzählt, in der ganzen Zeit? Wär’ ja nicht so gewesen,
dass mich der Schlag getroffen hätt’, bei all dem, was ich von dir weiß.«
Über unseren Köpfen rauschten frühsommergrüne Lindenblätter im Wind, ein Serviermädchen mühte sich, Papierlampions an wogenden Ästen zu befestigen. Ich nickte langsam, blieb mir doch nichts hinzuzufügen.
»Der Trubic. Hätt’ ich mir nicht so recht gedacht«, nahm Esther den Faden wieder auf. »Nicht, dass ich dich nicht verstehen könnt’ – so ein eleganter Herr und ein richtiger Held obendrein. Das heißt, wenn die Geschichte mit den Drachen stimmt. Nicht, dass ich dran zweifeln würd’. Wer mit Vampiren bekannt ist, kann auch auf Drachen treffen, das seh’ ich schon ein. Und warum sollt’ jemand eine Geschichte, die nicht stimmt, in sein Tagebuch schreiben; das wär’ ja ein Blödsinn, nicht einmal dir altem Halunken trau’ ich das zu.«
Sie strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn, zupfte ihr buntes Haarband zurecht. »Aber eines frag’ ich mich doch: Warum hast du denn den Yosch erschießen müssen? Ich seh’
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