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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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es ja ein, ein Depp war er – aber auch einen Deppen bringt man dann doch nicht so ohne weiteres um, denk’ ich mir.«
    Ich schwieg. Selbst wenn ich ihr hätte antworten wollen, es wäre mir doch unmöglich gewesen. Was immer ich auch tun, wohin ich auch immer gehen sollte, der Tote, der mich aus gebrochenen Augen vorwurfsvoll anstarrte, würde mich doch für alle Zeiten verfolgen. Kein Leben, das ich rettete, kein Gott und kein Opfer würden mich jemals von meinen Sünden freisprechen.
    »Schon gut. Ist ja lange her, die ganze blöde Geschichte. Weißt du, ich mag dich um nichts weniger gern, ich versprech’s dir.« Esther sah mich mit einem zaghaften Lächeln an. »Und was den Mirko angeht, was wirst du in der Angelegenheit unternehmen?«
    »Ich befinde mich kaum in der Position, in der es mir möglich
ist, ihn zu einer Rückkehr zu bewegen«, sagte ich steif. Verstohlen warf ich einen Blick auf meine Taschenuhr: Es schien nicht, als ob der Marchese noch erscheinen würde.
    »Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob ich ihm vergeben kann, dass er in meinen Sachen gestöbert und in meinem Tagebuch gelesen hat«, fügte ich hinzu.
    »So einen ausgemachten Unsinn hab’ ich ja schon lange nicht mehr gehört!«, ereiferte sich Esther. »Da erzieht der feine Herr sich den Buben zum Spitzel und wundert sich dann, wenn er auch spioniert.« Sie spielte mit ihrem Weinglas. »Nein, weißt du, ich sag’ dir, was du tun wirst: Fährst eben nach Wien, wenn er nicht mehr nach Prag zurück will und erklärst ihm, dass du ihn nicht umbringen und nicht verführen wirst. Und dass es passieren kann, Wahrheiten zu finden, die man nicht finden will, wenn man seine Nase in Hutschachteln steckt, die einen nichts angehen. Dann gibst du ihm zwei Ohrfeigen für die impertinente Frechheit, dass er das Tagebuch gelesen hat – und fertig seid ihr miteinander.«
    In Esthers Welt war dies tatsächlich die perfekte Vorgehensweise, doch sosehr ich sie auch schätzte, so wenig hatten wir miteinander gemein.
    »Nein«, entschied ich. »Tatsächlich ist es das Beste, wenn er geht.«
    Sie zog eine sorgfältig gezupfte, nachgemalte Augenbraue hoch. »Ja, aber der Bub ist doch noch … ein Bub. Ein Kind. Du kannst ihn doch nicht in die Welt hinausschicken.«
    »Er ist siebzehn«, widersprach ich ruhig. »Alt genug, um Eigenverantwortung zu übernehmen.«
    »Eigenverantwortung und ein Kind vor die Tür setzen, das sind zwei ganz verschiedene Sachen.« Energisch schüttelte sie den Kopf, Locken wippten im Wind. »Wo war denn der junge Baron Sirco mit siebzehn?«
    Ich zündete mir einen Zigarillo an. »Als Kadett in Olmütz
stationiert.« Dass ich darüber hinaus auch von meiner eigenen Familie verstoßen worden war und um Ruf und Namen hatte bangen müssen, verschwieg ich ihr.
    »Und du? Was hast du getan, als du siebzehn warst, Esther?«, erkundigte ich mich stattdessen scharf.
    »Wie ich siebzehn war, nun ja, lass mich überlegen … Na, die schönste Hure von ganz Brünn war ich da«, erwiderte sie nicht ohne Stolz, ehe sich ihre Miene einmal mehr verdüsterte. »Aber das heißt jetzt nicht, dass ich Mirko dieses Gewerbe empfehlen würde.«
    Dass in jenem Augenblick eine hochgewachsene, schreiend bunt gekleidete Gestalt, die ich ohne Umschweife als Esthers Marchese identifizierte, an unseren Tisch trat, enthob mich glücklicherweise einer Antwort.
    »Welche Ehre, Sie kennenzulernen, Baron Sirco«, rief er gutgelaunt in fehlerfreiem, unmerklich akzentuiertem Deutsch, kaum dass er Esther überschwänglich begrüßt hatte.
    »Das Rennen am Circuit d’Auvergne haben Sie gewonnen vor drei Jahren, nicht wahr, Baron? Ich war damals einer Ihrer Kontrahenten, erinnern werden Sie sich ganz sicher nicht.« Er ließ sich neben mir in einen Sessel fallen, rümpfte die Nase. »Mein Gott im Himmel, wie habe ich Sie damals gehasst.«
    »Das tut mir leid«, lächelte ich. Der Marchese verfügte über eine vorteilhafte Kombination von burschikosem Charme und lebhaftem Temperament, die mich sogleich für ihn einnahm.
    Unter gehobenen, buschigen Augenbrauen examinierte er meinen schwarzen Handschuh. »Ein Souvenir, woher?«, wollte er unverblümt wissen.
    »Dieppe. Grand Prix von Frankreich, vergangenes Jahr.«
    Er nickte. »Aber ja, ja. Wer hat sie nicht, seine kleinen Souvenirs von den Rennpisten der Welt?« Während er ungeduldig den Ober herbeiwinkte, bedachte er mich mit einem breiten Raubtiergrinsen. »Und ein jedes dieser Souvenirs sagt uns, dass
wir noch

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