Des Teufels Maskerade
verschränkt. Der entrückende Anblick unserer Goldenen Stadt, die da in der Abendsonne glänzte, schien seine gesamte Aufmerksamkeit zu fesseln.
Ich wartete, geduldig, schweigend. Mit Felix Trubic zu spielen, das hieß, seinen Regeln zu folgen: Diese Lektion hatten mich die Jahre gelehrt.
»Warum? Du wagst mich zu fragen, warum?«
Ich hatte die Hoffnung, er würde sich doch noch zu einer Reaktion herablassen, schon beinahe aufgegeben, als er sich mir schließlich zuwandte.
Die Sonne war untergegangen, Zwielicht hielt Einzug in die Bibliothek des Palais Trubic.
»Warum, warum – was für eine Rolle spielt das noch?«, wiederholte Felix, dessen Augen wie fiebrig in seinem schmalen Gesicht glänzten. »Waldhausen ist tot. Lili ist fort. All das hat nichts mit deinem eigentlichen Auftrag zu tun!«
Ich neigte mich nach vorn, die Ellbogen auf meine Oberschenkel gestützt. »Ich wünschte, ich könnte mir dessen so sicher sein«, bekannte ich.
Felix sah mich gedankenverloren an. »Es ermüdet mich, dass du an jedem meiner Worte zweifelst.«
»Wie kann ich dir vertrauen, wenn du mich immer mit Ausflüchten abzuspeisen suchst?«, sagte ich. »Ich habe dich nach
der Wahrheit gefragt: Wie kam es, dass du deine Tochter mit Waldhausen – ausgerechnet Waldhausen – verheiraten wolltest? Doch statt einer Antwort suchst du mir nur zu entwischen.«
Felix gab ein seltsames Geräusch von sich, halb Seufzen, halb Zorneslaut. »Wirklich, Dejan – das ist alles, was dich interessiert? Wäre es nicht zweckmäßiger, sich beispielsweise auf die Frage zu konzentrieren, was der verdammte Vampir von meiner Tochter wollte? Und ob sein Besuch in irgendeiner Beziehung zu meinem Drohbriefchen steht – wovon ich durchaus ausgehe?«
»Ich kann nicht für dich arbeiten, wenn du mir ständig Details verschweigst, die vielleicht wichtig für den Fortgang meiner Ermittlungen sein könnten«, fuhr ich unbeirrt fort. »Wie soll ich dir helfen, den Fluch zu brechen, wenn ich die Zusammenhänge nicht kenne? Jede Nichtigkeit kann mitunter von Bedeutung sein – und das weißt du auch. Wenn du möchtest, dass ich den Fall löse, dann tätest du besser daran, mir ein wenig von deiner plötzlich aufgetauchten Tochter zu erzählen.«
Langsam durchquerte Felix die Bibliothek und ließ sich auf den Diwan neben mir fallen. Selbst im Halbdunkel konnte ich ihn deutlich lächeln sehen, ein dünnes, hartes Verziehen der Lippen, das seine Augen nicht erreichte.
»Also schön, eine besonders interessante Erzählung wird es allerdings nicht«, fügte er warnend hinzu, als er mein Glas ein weiteres Mal füllte.
Wenigstens in dieser Hinsicht sollte Felix Recht behalten: Ebenso banal wie altbekannt war sie, die Trubic’sche Familiengeschichte.
In Tausenden Variationen haben wir sie bereits gehört, die
Fürstin von So-oder-Anders hat sie uns erzählt, gerade wie das Hausmädchen, das unsere Zimmer fegt.
Es ist die Geschichte des lebensfrohen Studenten in der fremden Stadt, und der hübschen Schwester seines Kommilitonen; die Geschichte der zärtlichen kleinen Briefchen und Stelldicheins bei Mondschein, der Spiele und Liebesschwüre, der Unaufrichtigkeiten und der etwas überstürzten, nicht gänzlich standesgemäßen Heirat; die Geschichte von Kindern, die nach entschieden zu wenigen Monaten der Ehe das Licht der Welt erblicken; von Müttern, die jung sind und unerfahren und voller Angst; von Vätern, die von Freiheit und Abenteuer schwärmen; von Anverwandten, die missbilligen. Es ist eine Geschichte der Kälte und der Einsamkeit. Der Leere, die er sich mit allerlei Rücksichtslosigkeiten, mit Spiel, Wein und den Schönen der Nacht möbliert, während sie sehr still, blass und verloren wird.
Und es ist auch die Geschichte eines frühen Todes.
»Annette starb, als Lili gerade zwei war. Sehr zur Erleichterung meiner Mutter, so wollte es der Tratsch. Am Tag nach dem Begräbnis fasste ich eine Entscheidung.«
Wie gleichmütig Felix’ Stimme klang, als er diese furchtbaren Sätze sprach; kein Lidschlag, kein Zucken der Mundwinkel verriet eine Gefühlsregung.
»Eine bittere Entscheidung«, präzisierte er.
Ein freundlicher Cousin der Verstorbenen, dessen Frau sich bereiterklärte, Lili großzuziehen, fand sich schnell. Ein kleines Vermögen wechselte den Besitzer, und dann legte der junge Graf Trubic seine Tochter in die Arme einer Fremden und ging seiner Wege.
Nachdenklich strich Felix mit dem Zeigefinger die Narbe an seinem Hals
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