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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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pickte.
    »Hören Sie auf, sich wie ein unverständiges Tier zu benehmen, ich weiß, dass Sie keines sind!«, entfuhr es mir.

     
     
    »Dejan?«
    Es kratzte an meiner Schlafzimmertür. Lysander war erwacht und hatte mich, wie konnte es auch anderes sein, sprechen gehört.
    »Es geht dir doch … gut?« Unsäglicherweise sprach er weiter. »Du hast immer noch Zeit, abzureisen. Du bist auch dann kein größerer Held, wenn du bei dem gottverdammten Rennen krepierst.«
    Mit den Jahren hatte ich mich gelehrt, mein Temperament zu zügeln: Man hatte in der Gesellschaft einen prekären Stand, wenn man bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Beherrschung verlor. Einigen wenigen, von Schicksal und Geburt Begünstigten, mochte es nachgesehen werden; in selteneren Fällen äußerten sich Jährzorn und Unberechenbarkeit auf so bizarre Weise, dass die Person einen gewissen Unterhaltungsfaktor darstellte – wenigstens auf Zeit. Nachdem ich weder Erzherzog noch mit sonderlich komischen Talenten gesegnet war, blieb mir nichts anderes übrig, als meine natürliche Disposition dem Diktat der Etikette zu unterwerfen und stumm bis dreißig zu zählen, ehe ich mich zu untragbaren Wortspenden hinreißen ließ.
    Manchmal gelang es mir jedoch nicht, so auch an jenem Morgen: Binnen weniger Augenblicke hatte ich Lysander und die Krähe darüber in Kenntnis gesetzt, dass sämtliche Gestaltwandler und Wahnsinnige in Tiergestalt meine Erlaubnis hätten, sich von Hausdächern ihrer Wahl zu stürzen – vorausgesetzt der Fall war tief genug.
    Die Krähe sah mir während des gesamten Wutausbruchs geradewegs in die Augen; einen flüchtigen Moment lang glaubte ich, Mitleid in dem Vogelgesicht zu erkennen, dann stieß sie sich ab und flog hinaus in den Morgenhimmel.

     
     
    »Komplikationen eingetreten. Erwarte Dich schnellstmöglich in Prag. Gruß Felix.«
    So las sich das Telegramm, welches ich wenig später in der Eingangshalle des »Continental« in Empfang nahm. Wie bei ihm Sitte, hatte sich Felix nicht die Mühe gemacht, eine nähere Beschreibung der Schwierigkeiten zu geben. Mechanisch faltete ich das Papier in der Hälfte, schob es in die Innentasche meines Rocks. Wollte mich Felix endlich, anderthalb Tage nach den Vorfällen in Esthers Etablissement, über die Tatsache informieren, dass seine Tochter zur Mörderin geworden war? Nein, eine derartige Neuigkeit würde er mir höchstens en passant , über Aperitif und Zigarren und in bestem Plauderton übermitteln.
    Was aber bedeutete, dass eine neuerliche Wendung in dem Fall eingetreten sein musste. Vermutlich eine, die mir ebenso wenig gefallen würde, wie die letzten.
    Wenn ich auf die Grand-Prix-Fahrt verzichtete, würde es mir ein Leichtes sein, den Mittagszug nach Prag zu erreichen. Verzichten?, meldete sich eine leise, unangenehme Stimme in meinem Hinterkopf zu Wort. Eine exquisitere Gelegenheit, vor deinen Ängsten zu fliehen, wird sich nicht mehr bieten. Vorausgesetzt, du fürchtest die Nachrichten, die Trubic für dich hat, nicht noch mehr.
    In diesem Moment zog Lysander an der Leine. Er hatte ungeachtet meiner Einwände darauf bestanden, mich zur Rennstrecke im Prater zu begleiten. Unmerklich schüttelte ich den Kopf. Ja, ich fürchtete mich; fürchtete mich vor dem Augenblick, wenn die Motoren angeworfen wurden, wenn man allein blieb, mit Maschine und Fähigkeit und Zufall. Aber hatte ich mich nicht auch gefürchtet, als der Zug aus Sarajevo ratterte und mich einer unbekannten Zukunft entgegentrug? Als ich zum ersten Mal sah, dass Krieg mehr bedeutete als Heldenpathos und Heldenehre? Als …

    Es spielte keine Rolle. So viele Momente, in denen ich glaubte, das Blut müsse mir in den Adern stocken, hatte ich durchlebt; es waren die wenigen Gelegenheiten, bei denen ich mich zur Flucht gewandt hatte, die noch heute durch meine Träume jagten.
    »Baron Sirco!«
    Lili Trubics Stimme war es schließlich, die mich endgültig zurück in die Wirklichkeit rief. Mit großen Schritten eilte sie durch die Halle, einen spitzenbesetzten Sonnenschirm schwingend, den Hut etwas schief auf dem Kopf. »Sie haben doch nichts dagegen, dass ich Sie begleite?«, erkundigte sie sich, als wären wir liebe Freunde und sie hätte sich bisher keineswegs der Zusammenarbeit verweigert.
    »Ganz wie Sie wünschen«, antwortete ich steif.
    Lili übersah meinen dargebotenen Arm und bückte sich, um Lysander hochzuheben, was eine robuste junge Dame, die eben an uns vorbeiging, mit einem entzückten Quietschen

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