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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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Gruß Felix

AUS DEN AUFZEICHNUNGEN BARON SIRCOS, WIEN, 28. JUNI 1909 (ABENDS)
    Die frühen Abendstunden, als ich erschlagen aus ziemlich wirren Träumen erwachte, fanden mich in Gesellschaft jener beiden Telegramme und eines jungen Mannes mit opulentem Schnurrbart, der mit angewidertem Blick in einem Roman blätterte. Der Arzt von der Rennstrecke. Dass er in meinem Hotelzimmer neben mir Wache gehalten hatte, wertete ich als unerfreuliches Zeichen.
    »Wer …«, begann ich. Mein Mund war sehr trocken
    »Es tut mir leid, dass die gegebenen Umstände mir bisher die Möglichkeit verwehrt haben, mich vorzustellen, Baron.« Irgendetwas an seiner Art – war es nun die leise Ironie seiner Worte oder seine unsichere Miene – nahm mich sogleich für ihn ein.
    »Doktor Rosenstein, zu Ihren Diensten.«
    »Ich glaube, das waren Sie bereits.«
    Er füllte ein Wasserglas, reichte es an mich weiter.
    »Ihre …« Er brach abrupt ab. »Fräulein Trubic war sehr darauf erpicht, dass ich mit Ihnen komme. Eine erstaunliche Person. Ansonsten …«
    Er nahm das Buch wieder zur Hand. Es handelte sich um einen ziemlich populären, unglaublich schlechten Unterhaltungsroman, den er sich zweifelsohne von Lysander geliehen haben musste. Geistesabwesend begann er, eine Seite der Länge nach zu falten, wieder und wieder.

    Ich wartete. Ungeachtet meiner angeschlagenen Verfassung konnte ich erkennen, dass ihm irgendetwas auf der Seele lag, das nur sehr wenig mit meinem Gesundheitszustand zu tun hatte.
    »Gleich nach dem Unfall …« Rosenstein holte tief Luft und stieß dann hervor: »Sie haben sich nach der Krähe erkundigt. Dürfte ich Sie fragen, woher Sie wussten, dass es sich um eine Krähe handelte?«
    Ich setzte mich gerade so weit auf, wie Schwindel und Mattigkeit mir erlaubten, um mir einen besseren Blick auf den jungen Arzt zu erlauben: Wie ein schlecht erzogenes Kind wippte er auf den Fußspitzen auf und ab, zupfte an seinen Manschettenknöpfen, zwirbelte seinen Schnurrbart, vermied es, mir in die Augen zu sehen, und musste – so ich in der Einschätzung seines Metiers Recht behalten sollte – ganz allgemein noch sehr viel lernen.
    »Die Krähe und ich, wir sind einander bereits ein paarmal begegnet«, erklärte ich. »Sie schien ziemlich gegen mich eingenommen.«
    Rosenstein hustete. »Sie wissen, dass diese Krähe eine … besondere Krähe war?«, fragte er vorsichtig weiter. »Gerade wie Ihr Otter ein sehr ungewöhnliches Exemplar seiner Gattung ist.«
    Seine Worte machten mich hellhörig: Wie es schien, hatte nicht allein ärztliches Pflichtbewusstsein ihn an meiner Seite verharren lassen.
    Ich nickte und bereute es sofort. »Sir Lysander Sutcliffe, die treulose Seele«, murmelte ich, als der Schmerz allmählich abklang. »Von dem ich eigentlich erwartet hätte, er würde an meinem Krankenbett wachen.«
    Wie auf Kommando erschien ein runder, pelziger Kopf in der halbgeöffneten Tür. »Hier ist eine treulose Seele, die doch anmerken möchte, dass sie bis vor kurzem ebendieses tat. Genauer
gesagt, bis ein kleines Briefchen eintraf, welches auf höchst beeindruckende Weise meine Sorgen um einen gewissen ehemaligen Adlatus namens Mirko geschürt hat.«
    »Mirko?«, wiederholte ich geistlos.
    »Ist am Leben und schreibt bizarre Briefe. Aber willst du unseren guten Doktor nicht lieber ausreden lassen?«
    Rosenstein räusperte sich; umständlich zog er aus den Taschen seines abgetragenen Jacketts eine ebenfalls nicht vollkommen vorzeigbare Visitenkarte.
    »Dr. Aaron Rosenstein«, las ich. Und darunter: »k.u.k. Departement für Okkulte Angelegenheiten, Centrale Wien.«
    »Ich werde mir Mühe geben, Ihnen alles zu erklären. Aber zuerst sollten Sie vielleicht die Korrespondenz Ihres ehemaligen Schützlings lesen – wenn ich mir einen Vorschlag erlauben darf, Baron?«

    Wien, am 28. Juni 1909
     
    Lieber Lysander,
    ich weiß nicht, wie ich diesen Brief beginnen soll. Das ist eine Sache, die Ihr versäumt habt, mir beizubringen: Wie man einen Brief beginnt, den man sich zu schreiben kaum überwinden kann.
    Ich gehe davon aus, dass Du mittlerweile von dem Tagebuch erfahren hast, und von meinem Beschluss. Darüber will ich nicht reden. Offen gesagt, ist es mir ganz gleich, wie Du dazu stehst. Ich habe meine Entscheidung getroffen und deshalb bin ich auch vor zwei Tagen so überstürzt fortgegangen. Das Diskutieren und Erklären und das ganze Theater habe ich uns beiden damit erspart.
    Ich gestehe, einen richtigen Plan hatte ich

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