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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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gut gefiel, verriet mir die Art, wie er gottergeben die Hände hob und wieder sinken ließ. Lysanders Anwesenheit schien er nicht zur Kenntnis zu nehmen.
    »Die meiste Zeit hockt sie als Krähe oben auf der Brüstung vom Glockenturm. Vor einer halben Stunde, vielleicht ein bisserl mehr, ist irgendwer vorbeigekommen, ich glaube, eher zufällig. Gesehen habe ich nichts, nur einmal habe ich sie danach leise reden hören, also muss sie sich verwandelt haben.« Er hob seinen Feldstecher. »Und jetzt ist sie wieder als Krähe da, wie ich sehe.«

    Auch ich spähte nach oben. Der Turm war nicht hoch; dicht unter seinem Dach meinte ich tatsächlich den kleinen, dunklen Körper der Krähe erkennen zu können.
    »Runter kriegen wir die natürlich nie«, fuhr unser neuer Bekannter flüsternd fort. »Erstens ist die Tür verriegelt, zweitens sind die Fenster zu klein, um hineinzuklettern, und drittens kann sie jederzeit davonfliegen.«
    Ich presste eine Hand gegen meine schmerzende Stirn. Er hatte Recht. Es glich schon einem Wunder, dass die Vilja uns noch nicht entdeckt und das Weite gesucht hatte. Aber vielleicht glaubte sie sich uns auch so hoffnungslos überlegen, dass sie sich über jedwede Vorsichtsmaßnahme erhaben sah.
    »Eigentlich«, gab Lysander zu bedenken. »Ist alles, was wir brauchen, eine Feder.«
    Rosenstein zwirbelte seinen Schnurrbart. »Nicht zu klein für einen Otter«, ließ er uns unvermittelt wissen und fügte hinzu: »Die Fenster.«
    Kostbare Augenblicke verstrichen, indem wir einer zum anderen starrten.
    Lysander keckerte aufgeregt.
    »Sie wird es trotzdem hören«, gab unser fülliger Bekannter schließlich zu Bedenken.
    »Ich habe eine Idee«, verkündete Lysander.
     
     
    Jahrelange Erfahrung hatte mich gelehrt, Lysanders Ideen mit höchstem Skeptizismus zu begegnen, pflegten derartige Eröffnungen uns doch mit ermüdender Regelmäßigkeit weit über die Grenzen vertretbaren menschlichen Betragens und akzeptablen Geschmacks zu führen. Nicht, dass wir in diesem Fall eine Wahl gehabt hätten. Jeden Moment drohte die Vilja uns zu entwischen, da blieb keine Zeit, um lange Schlachtpläne zu entwerfen.

    So kam es, dass sich in bewusster Juninacht dem arglosen Passanten ein gar wunderliches Schauspiel bot: Dicht unter dem Glockenturm der Kirche zu St. Ruprecht stand ein wohlgekleideter, wenn auch sichtbar angeschlagener Herr, der, mit einer Pistole gestikulierend, lautstark eine Krähe beschwor, ihm verdammt noch einmal endlich zu erzählen, was hier vor sich ginge und wer ihre Hintermänner wären.
    Gleichzeitig schmetterte ein paar Schritte abseits sein massiger Kumpan aus voller Kehle Weisen von Tod und Untergang, die er gelegentlich mit Zwischenrufen, wie »So wird’s dir auch gehen, Mistvieh, wenn du nicht sofort da runterkommst!«, würzte.
    Hätte der Passant, statt feixend dem Spektakel beizuwohnen oder eilends den Rückzug anzutreten, sich in den Kopf gesetzt, die Kirche zu umrunden, so hätte er – für ein paar Sekunden wenigstens – einen jüngeren Mann gesehen, der, auf Fußspitzen balancierend, einem Otter durch ein zerbrochenes Fenster ins Innere der Kirche half.
    Der Plan ging auf. Schon nach kürzester Zeit wurden in den anliegenden Wohnhäusern Fenster aufgeschlagen, Schmähungen, Fluchworte und Drohungen drangen gleichermaßen an mein Ohr; verschlafene, verwirrte Gestalten erschienen in Haustüren, jemand verlangte lautstark zu erfahren, was vor sich ging und ein anderer schrie nach der Polizei. Aus der ebenfalls am Kirchplatz befindlichen Schenke, mit dem passenden Namen »Zu den Drei Raben«, gesellten sich ein paar neugierige Zecher zu unserer kleinen Darbietung.
    Noch gestand man uns einen gewissen Unterhaltungswert zu, auch wenn unser verzweifeltes Ablenkungsmanöver bereits zur Untat von Trunkenbolden degradiert worden war. Wir mussten vorsichtig sein, des Volkes Stimmung konnte rasch umschlagen; und der Ausbruch von Handgreiflichkeiten würde unserer Sache mit Sicherheit nicht dienen.

    Die Vilja auf ihrem Turm krächzte. Vielleicht fand wenigstens sie großen Spaß an unserer Darbietung.
    Ohne auch nur einen Takt seines Liedchens auszusetzen, hob mein Gefährte den Feldstecher vor die Augen und reichte ihn sodann an mich weiter.
    Ich spähte ebenfalls durch das Fernglas: Für den Bruchteil einer Sekunde hob sich ein schemenhafter, runder Kopf über die Brüstung, und verschwand wieder. Lysander!
    Ein Krächzen, das wie ein Lachen klang, dann breitete die Krähe ihre

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