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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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Flügel aus, bereit, in die Sommernacht zu entschwinden.
    Entsetzt hob ich die Waffe, die Dr. Rosenstein mir übergeben hatte. Ich wusste um die miserable Zielgenauigkeit von Pistolen, ich wusste, dass ich schon lange aus der Übung war, und ich wusste auch, dass mir keine andere Wahl blieb. Einen Moment lang flatterte die Vilja scheinbar unschlüssig vor der Turmspitze, ehe sie, unvermittelt und blitzschnell, in den Sturzflug ging.
    Ich feuerte.
    Ein Krächzen wandelte sich in einen Schrei.
    Ein Lied brach ab.
    Ein Körper prallte auf dem Pflaster auf.
     
     
    Sodann überschlugen sich die Ereignisse: Jemand warf sich auf mich. Ich stolperte, verlor das Gleichgewicht und stürzte rücklings zu Boden; hart schlug ich mit dem Kopf auf. Einen bangen Atemzug kämpfte ich gegen Ohnmacht und grellweiße Schmerzblitze vor meinen Augen. Wortfetzen, deren Bedeutung ich kaum verstand, drangen an mein Ohr: »Mörder! Mörder!« Jemand trat mir die Pistole aus der Hand, aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie sie über die Pflastersteine schlitterte. Dann zerrten plötzlich unzählige Hände an meiner
Kleidung, meinem Haar, ein Fausthieb traf mich seitlich. Gewiss schuldete ich meiner Selbstachtung wenigstens einen Versuch, mich zu wehren – aber wie benommen, wie hilflos ich mich in diesem Moment nur fühlte!
    »Aufhören, sofort aufhören!«, hörte ich Dr. Rosenstein unerwartet energisch rufen. »Ich sagte aufhören! Das ist ein polizeilicher Befehl!«
    Das Wort Polizei war es wohl, das sie innehalten ließ, selbst wenn diese Rolle Rosenstein mit seinem sanften Gesicht und modischen Anzug kaum auf den Leib geschrieben stand.
    Mühsam rappelte ich mich auf. Die vier Raufbolde, die sich auf mich gestürzt hatten, hatten sich nur ein paar Schritte zurückgezogen. Unschlüssig verharrten sie: Sollten sie Rosenstein als Polizisten anerkennen oder ihre selbst auferlegte Pflicht als Rächer der Ermordeten zu Ende führen?
    Rosenstein gab ihnen keine Zeit, eine Entscheidung zu fällen. Die Hände in die Hüften gestützt, das Gesicht bleich vor Zorn, trat er zwischen uns. »Sie!«, bellte er. »Sie kommen mit mir! Sie sind verhaftet! Leisten Sie keinen Widerstand gegen polizeiliche Gewalt, sonst …« Nachdrücklich schwenkte er dabei die Pistole, die er wieder an sich genommen hatte; gut möglich, dass es letzteres Argument war, welches die vier zum eiligen Rückzug veranlasste.
    Die Hauptperson unserer kleinen Aufführung, die scheinbar ermordete Tote lag indes reglos auf dem Pflaster: Ein zierlicher Körper im weißen Kleid, Goldschmuck an Hals und Händen. Der Agent der Centrale kniete bei ihr, umgeben von Wohlmeinenden und Neugierigen, die lautstark und ratlos ihre Mutmaßungen zu den Geschehnissen zum Besten gaben:
    »Ganz genau hab ich’s gesehen, wie’s runtergesprungen ist!«
    »Na, wird’s halt eine Selbstmörderin gewesen sein. Alletag kommt so was vor, alletag, ich sag’s Ihnen.«
    »Aber gehen’S, wo er’s doch erschossen hat!«

    »Kein Blut. Kein Tropfen Blut! Mit rechten Dingen geht’s da nicht zu!«
    »Baron!« Rosenstein berührte sacht meinen Arm. »Es ist Zeit zu gehen!«
    Verständnislos starrte ich ihn an und überlegte, wie oft ein Herr von Welt an einem Tag das Bewusstsein verlieren dürfte, ohne sich überspannter Manieren schuldig zu machen.
    Im Schein der Laterne sah ich Rosenstein die Augen verdrehen. »Es sei denn, Sie wollen es sich nicht nehmen lassen, diesen braven Bürgern hier zu erklären, dass Sie eine Tote erschossen haben!«
    Ein gewisses Gespür für Dramatik war der Vilja nicht abzusprechen: Genau dieses Stichwort erwählte sie sich, um in einer fließenden Bewegung aufzuspringen. Der massige Agent, dem ich allerlei, nur keine guten Reflexe zugetraut hatte, schnellte nach vorn und bekam sie an beiden Handgelenken zu fassen.
    Jemand schrie auf; eine alte Dame in Nachthemd und Schultertuch schlug das Kreuzzeichen. »Maria-Mutter-Gottes-im Himmel«, murmelte ein anderer, fast alle Umstehenden wichen vor Schreck zurück.
    Die Vilja warf den Kopf zurück. »Glauben Sie nicht, dass Sie gewonnen haben! Wir werden nicht aufgeben! Wir werden niemals aufgeben!«, gellte sie, während sie sich dem Griff des Agenten zu entwinden versuchte.
    Dr. Rosenstein hastete vor, um seinem Kollegen zu Hilfe zu kommen. Er packte den Oberarm der Vilja, die sich nach Kräften wehrte und uns mit allerlei wüsten Beschimpfungen in tschechischer Sprache bedachte.
    Die Vilja trat um sich; allmählich regten

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