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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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unterdrückte ich meinen Unmut. »Wie das?«
    Sie seufzte und faltete ihre Hände wie zum Gebet. »Sie stellen sich das sehr leicht vor. Wie soll ein einzelner Mann eine Krähe einfangen, die partout nicht gefangen werden will?«
    »Weshalb schicken Sie denn keine Verstärkung?«, fuhr ich sie schärfer, als ich vorgehabt hatte, an.
    Lysander fauchte missbilligend, und unter dem Sekretär begann die Zwergbulldogge wieder zu knurren.
    »Ihre Selbstüberschätzung in Ehren, Baron, aber glauben Sie denn wirklich, meine Agenten hätten nichts anderes zu tun?«, gab Judith Blum zurück. »Bei allem Respekt, aber so wichtig sind Sie und Ihr kleiner Schützling nicht, dass ich ein halbes Regiment anrücken und eine Krähe vom Kirchturm schießen lasse.«
    »Sie irren sich!«, rief ich. »Es geht um weit mehr, als Sie ahnen! Kompliment.« Ich wusste, dass meine Worte nicht weise gewesen waren, dennoch sprang ich auf und hastete zur Tür; Lysander hoppelte neben mir her.
     
     
    Die Ruprechtskirche zu übersehen, war leicht: Klein, gedrungen und bemerkenswert nur für jene Schöngeister mit einer ausgeprägten Passion für romanische Architektur, kauerte sie im Schatten weitaus neuerer Wohnhäuser, die selbst ihren höchsten Punkt, das Türmchen, überragten; Efeu und wilder
Wein erkletterten das baufällige Gemäuer und die Statue des namengebenden Heiligen. Doch bei aller Schäbigkeit atmete das Bauwerk den Charme des alten, halbvergessenen Wiens, das nur zögerlich an manchen Ecken noch hervorlugte.
    »Alle paar Jahre wird überlegt, ob man die Kirche schleifen lassen sollte.« Dr. Rosenstein, der es sich nicht hatte nehmen lassen, uns nach dem überstürzten Abgang zu folgen und seine Hilfe anzubieten, beschrieb uns den Aufenthaltsort der Vilja, während wir ihm durch die Gassen folgten. »Woraufhin die Centrale ein jedes Mal interveniert und eine Entscheidung über das Schicksal der Kapelle wieder aufgeschoben wird. Sie müssen wissen, für die Wesen der Nacht ist die Ruprechtskirche, was für die gehobene Gesellschaft das Sirk-Eck ist.«
    Er lachte leise. »Früher oder später begegnet man hier tout Wien der Anderen Art. Sehr praktisch für die Centrale, wo die Kirche noch dazu so in der Nähe liegt. Oder hat sich die Centrale in der Nähe der Kirche eingerichtet?«
    Noch immer laufend, zog er jetzt einen Gegenstand aus der Innentasche seines Mantels, welcher sich bei näherer Betrachtung  – die uns prompt gewährt wurde, als dieser mit einem metallischen Klirren auf dem Kopfsteinpflaster aufschlug – als überaus handliche Pistole herausstellte.
    »Oh!« Rasch hob Rosenstein seine Waffe wieder auf. Die übergroße Vorsicht, mit der er den Griff hielt, ließ darauf schließen, dass seine Erfahrungen mit Schusswaffen höchst limitiert waren.
    Lysander, nicht eben für seinen Takt bekannt, wies ihn sofort darauf hin. »Können Sie damit überhaupt umgehen, Doktor?«
    »Man hat es mich gelehrt«, erklärte Rosenstein mit großer Würde, dann stahl sich ein Grinsen in seine Züge. »Nein«, bekannte er. »Aber manchmal reicht es, mit einer Pistole herumzufuchteln, um die Leute davon zu überzeugen, dass man im Zweifelsfall nicht davor zurückscheuen wird, sie zu benutzen.«
    Ich unterdrückte ein Seufzen. Ich war ein Knabe gewesen, als den Anordnungen meines Vaters gemäß diverse Meister ihrer Kunst mich im Umgang mit Degen, Gewehr und Pistole zu unterrichten begannen. Eine Waffe bei sich zu tragen, die man nicht selbst aus tiefstem Schlaf geweckt zielsicher und tödlich zu führen wusste, bedeutete nur, das eigene Risiko zu erhöhen; so hatte meine erste Lektion gelautet.
    In jenem Moment löste sich eine Gestalt aus einem Hauseingang und trat zu uns. Das enthob mich vorerst der moralischen Verpflichtung, die Weisheit von Dr. Rosensteins modus operandi in Zweifel zu ziehen.
    »Habe die Ehre, Herr Doktor!«, grüßte der Neuankömmling, ein korpulenter Schatten in der mondhellen Nacht. »Jetzt bekomme ich doch noch Gesellschaft. Und ich habe mir schon überlegt, ob ich nicht noch auf einen Sprung zum Nachtpostamt drüben renne und noch ein Telegramm schicke, wie fad die ganze Geschichte hier langsam wird!«
    »Wie trist ist die Lage denn?«, erkundigte sich Rosenstein, ohne uns einander vorzustellen.
    In Anbetracht seiner Aufregung und Unerfahrenheit beschloss ich, ihm diesen faux-pas nachzusehen. Der Dicke musterte mich hingegen von Kopfverband bis zu den staubigen Schuhspitzen, und dass ich ihm nicht sonderlich

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