Des Teufels Maskerade
wog – ungeachtet der Tatsache, dass er mich Tausende, Abertausende Male belogen hatte, und wieder belügen würde. Die Lüge gehörte zu Felix wie seine französischen Zigaretten oder sein dünnes, ironisches Lächeln.
Ich hörte Lysander ungeduldig schnaufen und nahm die Blätter wieder zur Hand. »Sie hat nicht mehr viel zu sagen«, sagte ich, indem ich die letzten Zeilen überflog. »Nur noch eine Anmerkung, dass sie natürlich wisse, dass es die Aufgabe ihres Vaters und nicht die meine gewesen wäre, sie über Intrigen gegen das Haus Trubic in Kenntnis zu setzen. Dann schreibt sie noch, sie hätte sich das Rennen nicht weiter angesehen, sondern hätte lediglich darauf gewartet, ob die Krähe zurückkehrte – ein angenehmer Vorwand, um dennoch auf der Rennstrecke zu verweilen und sie in ein etwas weniger herzloses Licht zu rücken, wenn ich anmerken darf. Die Verabschiedung fällt ziemlich kühl aus, Elisabeth von Trubic, fin.«
Lysander legte den Kopf schief. »Du kannst die bezauberndsten Briefe in widerlich prosaisches Licht rücken«, spottete er.
Ich legte den Brief auf dem niedrigen Teetisch ab. »Zur nochmaligen
Lektüre, weil ich dein Misstrauen zur Genüge kenne, und die Möglichkeit, dass ich die wahrhaftig faszinierenden Stellen zensiert habe, natürlich stets besteht.«
Lysander stieß ein kurioses Röcheln aus – die otterische Version eines dramatischen Seufzers, so hatte ich vor vielen Jahren gelernt. »Wir sollten uns über Mirko unterhalten«, ließ er mich unvermittelt wissen.
Mit einer herrischen Geste schnitt ich ihm das Wort ab.
»Ich kenne deine Vermutungen«, sagte ich. Selbst in meinen eigenen Ohren klang meine Stimme verletzt und nicht überheblich, wie ich beabsichtigt hatte. »Ich wäre dir sehr dankbar, wenn wir sie nicht noch einmal wiederholen müssten.«
Lysanders Augen verengten sich zu Schlitzen, was dem runden Ottergesicht einen eher komischen als verärgerten Ausdruck verlieh. »Was durchaus auch in meinem Interesse liegt, zumal ich mich bereits in aller Ausführlichkeit bei dir entschuldigt habe. Und ich habe mir geschworen, keine Fragen mehr zu stellen. Nein, ich dachte an die Vilja, die in ihm einen Herrn von Zdar zu erkennen meint.«
Gedankenverloren kratzte er sich mit seiner Hinterpfote das linke Ohr. »Waisenjungen, die sich als rechtmäßige Erben einer wie auch immer gearteten, großen Tradition herausstellen, gibt es zuhauf. Im Märchen wenigstens.«
»Mirko ist allerhöchstens der illegitime Sohn irgendeines Erzherzogs, und das ist nun wirklich keine Auszeichnung«, informierte ich ihn. Verstohlen gähnte ich und fügte mit einem Blick auf meine Taschenuhr hinzu: »Die Mittagsstunde naht, und ich werde mich zu Bett begeben, wie die Welt es von dem ambitionierten Bohemien verlangt.«
Obgleich eine durchwachte Nacht und ein unangenehmer Unfall hinter mir lagen, fiel es mir schwer, Schlaf zu finden – die Scherben, die Fetzen des Mysteriums, das es zu entschlüsseln galt, wenn ich Felix’ Leben retten wollte, wirbelten durch
meinen unruhigen Geist: die Vilja, die von dem Fuchs geliebt wurde, der Vampir, der für Lili Trubic tötete, der Ring, der Fluch, der Bluttag – der 7. Juli? Wie schnell die Zeit verrann …
Ein Kratzen an der Tür – leise, doch beständig – riss mich aus meinen Träumen.
»Was ist geschehen?« Im Halbdunkel suchte ich nach meinem Morgenmantel, stellte fest, dass ich mich im Schlaf des Verbands um meine Stirn entledigt hatte. Die in einer Vielzahl von Blau- und Purpurtönen glänzende Beule verlieh mir, gepaart mit dem unkonventionellen Haarschnitt, den Rosenstein mir verpasst hatte, um die kleine Wunde an meinem Hinterkopf zu versorgen, das Erscheinungsbild eines derangierten Vorstadtgauners.
»Zwei faszinierende Telegramme sowie eines vom Marchese sind eingetroffen, außerdem ruft unseren armen Herrn Čapek die musikalische Pflicht«, lautete Lysanders munter vorgebrachte Antwort.
Unter all den Menschen, die ich augenblicklich nicht empfangen wollte, nahm Lilis kleiner Verehrer ob seiner Geschwätzigkeit eine Sonderposition ein.
»Zwei faszinierende Telegramme von wem?«, erkundigte ich mich, während ich mich der Aufgabe stellte, meine Kleidung zu vervollständigen, ohne meine linke Schulter allzu sehr zu belasten.
»Rosenstein will uns so bald wie möglich sehen, und Trubic hat geantwortet.«
Fragend zog ich eine Augenbraue hoch – sinnlos; und so sprach Lysander weiter: »Herr Čapek ist schon eine
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