Des Teufels Maskerade
wird. Uns sollte allein interessieren, was Sie vergessen
haben!« Lysanders Schnurrbarthaare zuckten unternehmungslustig. »Oder vielmehr verdrängt. Ich darf beispielsweise an die zahlreichen von Doktor Freud dokumentierten Fälle hinweisen, in denen psychische wie physische Leiden sich auf traumatische – verdrängte – Ereignisse in Kindheit und Jugend zurückführen lassen …«
Ehe sich Lysander zu einem detailreichen Vortrag über die Prinzipien der Psychoanalyse aufschwingen konnte, unterbrach ihn Felix. »Sir Lysander. Ich denke, alle Anwesenden haben wenigstens oberflächliche Kenntnis von Freuds Lehren. Würde es Ihnen etwas ausmachen, zum Punkt zu kommen?« Sein Tonfall legte nahe, dass er – ebenso wie ich – bereits ahnte, worauf Lysander hinauswollte. Und dass es ihm nicht gefiel.
Doch erst als Lysander den Frühstücksschinken, den Pavel ihm aufgetragen hatte, einer ausgiebiger Beschnupperung unterzogen hatte, sagte er: »Wir sollten, figurativ gesprochen, ein wenig in Ihrem Unterbewusstsein stöbern, Graf. Wenn wir auch nur einen einzigen Hinweis finden könnten, dass zwischen Ihnen und Buckingham zu irgendeinem Zeitpunkt eine Bindung bestanden hatte, so wäre dies schon ein wichtiger Schritt.«
»Sie lassen es so einfach klingen«, bemerkte Felix. »Aber zum einen unterschätzen Sie den zeitlichen Aufwand, den solche Sitzungen zweifellos bedeuten. Und zum anderen gehen Sie von einer erfolgreichen Behandlung aus.«
Lysander keckerte amüsiert. »Aber nicht doch, Graf. Meinen Sie denn wirklich, ich würde Ihnen vorschlagen, sich zu einem herkömmlichen Psychoanalytiker zu begeben? O nein. Die Dame, die zu besuchen ich Sie dringend bitten möchte, ist von weit außergewöhnlicherem Schlag. Es ist eine alte Bekannte von mir aus London – dank einer glücklichen Fügung weilt sie seit einigen Jahren in Prag.«
Die wenigen Gelegenheiten, da mir die Ehre zuteilgeworden war, Mrs Agatha Everett zu begegnen, hatten jeweils bleibenden Eindruck hinterlassen. So hatte sie mich, als ich ihr im Rahmen eines Balls im englischen Konsulat vorgestellt worden war, ohne Umschweife darüber in Kenntnis gesetzt, dass mir kein langes Leben beschieden sein würde, zumal die Schatten des Todes bereits heute meine Aura verdunkelten.
Von Lysander hatte ich dann erfahren, dass sie sich mehrere kleine Affen als Haustiere hielt, erwiesenermaßen fließend in neun Sprachen parlierte, sie eine Delegation von Archäologen nach Ägypten begleitet hatte (mit der Absicht, die Rätsel der großen Pyramide zu ergründen) und einige Monate allein in der halbverfallenen Ruine eines Schlosses in Irland gelebt hatte. Ferner behauptete Mr Everett selbst, dass sie gelegentlich mit dem Geist des Fürsten de Ligne Zwiesprache führte. Kurzum: Sie war, selbst an dem Umgang gemessen, den ich für gewöhnlich pflegte, eine etwas exzentrische Persönlichkeit.
Wo immer sie auftauchte, war sie mit einer Entourage sonderbarer Gestalten, Mystikern, Gelehrten und Taugenichtsen umgeben. Wäre den Gerüchten, die sich um die ehrenwerte Mrs Everett rankten, zu trauen gewesen, so hätte diese erlesene Schar ihre Tage damit verbracht, den skandalösesten verbotenen Genüssen zu frönen und heidnische Festtage mit Blutopfern zu begehen. Müßig festzustellen, dass die Realität sich deutlich züchtiger, wenn auch für den Eingeweihten nicht weniger spektakulär gestaltete.
Mr James Everett indessen, englischer Generalkonsul in Prag und ein eitler, gebildeter Herr, nahm die Gerüchte und Grillen seiner Gemahlin mit charakteristischer britischer Gelassenheit hin.
»Mrs Everett, so?« Felix hatte meinen Degen wieder an sich genommen und prüfte mit dem Daumen die Schärfe der Klinge. »Bei einer der unsäglichen Hajek’schen Abendeinladungen
hatte ich die zweifelhafte Ehre, neben ihr zu sitzen, woraufhin ich fünf Gänge hindurch ihren Interpretationen des Isis-Kults zu lauschen hatte.« Angewidert verzog er die Lippen. »Es war schauderhaft.«
Lysander nickte unbekümmert. »Ja, zuweilen macht es Agatha Spaß, sich seicht zu geben. Was nichts an der Tatsache ändert, dass sie sich mit Fug und Recht als die talentierteste Hexe, die gegenwärtig in Prag residiert, bezeichnen könnte.«
»Schön, wenn Sie meinen, Ihre kuriose Freundin könnte uns von Nutzen sein, dann will ich Ihnen glauben.«
Wir rüsteten uns eben zum Aufbruch, als Mirko in wahrhaft wunderlicher Verkleidung hereinplatzte: Er trug einen geradezu
Weitere Kostenlose Bücher