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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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bemerkenswert schäbigen Anzug, der ihm mindestens eine Nummer zu klein war, auf dem Kopf saß ein zerzauster Strohhut und er hatte ein buntes Halstuch um den Nacken gebunden. Dazu hielt er unter dem linken Arm eine abgenützte Dokumentenmappe geklemmt, die mir vage bekannt erschien, und in der Rechten meinen Schwertstock. Aus der Innentasche seines Jacketts ragte, deutlich sichtbar, eine billige Schreibfeder.
    »Ihr werdet nicht glauben, wie ich meinen Vormittag verbracht habe!«, rief er. Sein alter Elan und Ungestüm schien wiedergekehrt, da erblickte er Felix. Der Junge erbleichte, stotterte unzusammenhängende Grußworte und flüchtete sich sodann in eine steife Verbeugung.
    Felix nickte ihm zu, seine Mundwinkel kräuselten sich höhnisch.
    »Nun?«, erkundigten Lysander und ich uns gleichzeitig.
    »Mit welcher Befugnis hast du dir den Stock angeeignet?«, fügte ich hinzu. »Und was willst du in dem alten Anzug?«
    Mirko ließ sich neben mich auf das Sofa fallen, streckte die
Beine. »In dem Café drüben bei der Universität bin ich herumgesessen«, ließ er uns wissen. Als er unsere ratlosen Mienen sah, zog er eine Grimasse. »Ich hab’ mir gedacht, wenn wir schon auf der Suche nach dem Retter Böhmens sind, dann beginnen wir am besten in den Kreisen der nationalistischen Studenten.« Er drückte dem herbeigeeilten Pavel Stock, Hut und Feder in die Hand und lockerte sein Halstuch. »Also habe ich mich ein bisschen unters Volk gemischt – so getan, als hätte ich begonnen, in Wien zu studieren und wollte nach dem Sommer hier nach Prag wechseln. Ein paar waren recht freundlich, mit ein paar anderen hab’ ich politisiert.«
    »Und?«, unterbrach ich ungeduldig seine Schilderungen.
    »Morgen geh’ ich wieder hin, und übermorgen wieder. Aufbau einer Tarnidentität, hast du …«, er brach ab, biss sich auf die Unterlippe, »… haben Sie das genannt, Herr Baron.«
    Lysander stieß seinen kuriosen, röchelnden Seufzer aus, öffnete den Mund. Nicht , signalisierte ich ihm mit Blicken und Gesten – ich legte keinerlei Wert darauf, Felix in unseren häuslichen Schwank mit einzubinden –, woraufhin Lysander sich darauf beschränkte, mit einem leisen »Schmierenkomödianten« von seinem Sessel zu springen.
    »Den Stock hab’ ich zur Verteidigung mitgenommen«, ging Mirko ungerührt auf den zweiten Teil meiner Frage ein, ohne ihn tatsächlich zu beantworten. »Nur für den Fall, dass ich an ein paar rauflustigere Gestalten gerate, denen meine Ansichten nicht gefallen. Zuerst wollte ich ja den alten Degen mitnehmen, aber dann hab’ ich mir gedacht, das wäre doch überzogen.«
    »Faszinierend«, schnarrte Lysander. Seine Krallen wetzten auf dem Parkett. »Können wir uns vielleicht – endlich – auf den Weg machen?«

     
     
    Lysander eilte geschäftig voraus, als wir von der Karlsbrücke die Stufen hinab zur Insel Kampa stiegen, wo Konsul Everett und seine Gemahlin eine weitläufige Belle-Etage-Wohnung in einem der neueren Häuser am Platz ihr Eigen nannten. Nachdenklich starrte ich in das Dunkel des Teufelswassers, jenes schmalen Seitenarms der Moldau, der die Kampa von der Kleinseite trennte: Venedig in Prag nannte man nicht ohne Stolz jenen Teil der Insel, in dem sich die ältesten Häuser fanden. Sie alle trugen absonderliche Hauszeichen und Namen, wie das Haus zu den Drei Karpfen, das Haus zu den Webern, ja selbst das Haus zum Weißen Hemd, zu dem unzählige grausige Gespenstergeschichten kursierten. Hier waren Schilder mit einer Mondsichel über einer Haustür angebracht, dort hielt ein Hahn mit imposant gemaltem Federschweif über dem Portal Wache, da drüben ächzte ein Holzschild mit drei schlichten, grünen Kreuzen im Sommerwind … Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte ich hier, zwischen den obskuren Überresten lange vergessener Geschichten, Stunden verbringen können.
    »Eine malerische Gegend, aber ob das eine Adresse für Diplomaten ist, ich weiß nicht«, mokierte sich Felix, der meine Liebe zur Insel Kampa teilte, über den dünkelhaften Mr Everett, den mutmaßlich auch ein Trakt der Prager Burg nicht zufriedengestellt hätte. Hoffnungsloser Fall von nouveau-riche, lautete Felix’ Urteil. Obgleich er vorgab, dem Standesbewusstsein des alten Adels kritisch gegenüberzustehen, fand kaum ein Emporkömmling jemals vor seinen gestrengen Augen Gnade.
    Ich schwieg, eine seltsame Ruhe lag seit jeher über der kleinen Moldauinsel, und nur das Rauschen der Mühlräder war zu hören, als wir die

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