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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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Verzweifelten?): »Mein Onkel Karel sagt immer, überleben hieße zu lernen, zwischen den Situationen zu unterscheiden, in denen man davonlaufen kann, und jenen, in denen man sich seinen Dämonen stellen muss.«
    »Lili, bitte!« Ungehört war Felix in den Salon getreten. »Es ist noch ein wenig zu früh am Tag, um die Menschheit mit Onkel-Karel-Weisheiten zu behelligen.« Rittlings schwang er sich auf einen Sessel, verschränkte die Arme über der Lehne. »Du musst wissen, Dejan, dass Karel es sich zur Aufgabe gemacht hat, meinem Töchterchen alle möglichen Sinnsprüche und Lebensweisheiten mit auf den Weg zu geben. Bedauerlicherweise sind die meisten davon von so überwältigender Dummheit und Banalität, dass ich sie erst zu späterer Stunde, zusammen mit einem steifen Cognac, ertrage.«
    Auf Lilis Wangen bildeten sich rote Flecken.
    »Und jetzt«, fuhr Felix ungerührt fort, »sollten wir uns endlich den wahren Dingen des Lebens zuwenden. Dejan, wenn du so freundlich wärst, mir zu folgen …«

     
     
    Ich wartete, bis Felix mich ein Stockwerk höher in ein dunkel getäfeltes Zimmer geführt hatte, das ich noch nie zuvor betreten hatte; dann konnte ich nicht länger an mich halten: »Wie lange weißt du es schon?«
    Ruckartig zog Felix die Tür hinter uns zu.
    »Ich verstehe nicht?«, erkundigte er sich arglos – eine Miene, die mir wohlbekannt war. Wie kaum ein anderer verstand es Felix, ungläubiges Staunen und Unverständnis zu spielen.
    »Deine Symptome«, sagte ich mühsam beherrscht, »drängen mir einen gewissen Verdacht auf: Wie wollen wir es nennen, die Wiener Krankheit?«
    »Es amüsiert mich immer wieder, was für poetische Bezeichnungen einer so banalen Todesart verliehen werden: Schwindsucht, Weißer Tod – und jetzt nennst du es Wiener Krankheit«, antwortete er gelassen.
    Hinter meinem Rücken ballte ich die Hände zu Fäusten. »Nenn es, wie du willst. Aber wenn es zutrifft, solltest du in einer Lungenheilstätte irgendwo auf dem Land sein, und nicht hier. Und nicht nur deinetwegen! Denk nur an die Ansteckungsgefahr.« Wie konnte er mit so rücksichtslosem Leichtsinn durch sein Leben schreiten!
    Felix reagierte nicht. Stattdessen zeichnete er mit der Fingerspitze Muster in den Staub eines schweren Schreibtischs, welcher den Hauptteil des Mobiliars ausmachte. »Sieh dir den Tisch genau an und sage mir, was du davon hältst.«
    Ich ging vor dem Möbelstück in die Hocke; selbst wenn ich die vorhergegangene Unterredung keineswegs für abgeschlossen hielt, kannte ich Felix gut genug, um zu wissen, wann er sich jeglicher vernünftiger Argumentation widersetzen würde. Und so wandte ich meine Aufmerksamkeit gänzlich dem Schreibtisch zu. Er war aus altem, dunklem Holz, besaß drei Schubladen mit kunstvoll gearbeiteten Schlössern. Eine davon war einen Spaltbreit geöffnet und leer, der Schlüssel fehlte.

    Felix riss ein Streichholz an und entzündete eine kleine Gaslampe. Nur ausgesuchte Teile des Palais verfügten bisher über den Luxus von elektrischem Licht. Es dauerte eine Weile, bis ich in dem flackernden Licht die beiden winzigen Kratzer am Rand des Schlüssellochs der offenen Schublade bemerkte. Gleich darauf registrierte ich zwei weitere Irregularitäten: die kleine Einkerbung am Schloss und den bräunlichen Fleck am Holz.
    »Ein Schloss, das kleine Pfeile auf ungeschickte Eindringlinge schießt?« Ich rümpfte die Nase. »Wie trivial, Felix. Man sollte meinen, dass du über solch vulgären Kunstgriffen stehst.«
    Er lachte leise. »Nicht meine Erfindung, möchte ich betonen. Mein Vater hatte eine gewisse Schwäche für derartige Fallen und Kniffe. Und um das ehemalige Arbeitszimmer meines Vaters handelt es sich hierbei.« Ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Die Fensterscheibe fand ich im Übrigen zerbrochen vor. Heute Vormittag erst hat der Glaser diesen Schaden behoben.«
    Ich erhob mich und ließ, während ich mich umsah, das überwältigende Dunkel des Raums auf mich wirken: Obschon das Zimmer weitläufig und außer dem Schreibtisch und einem Bücherregal vollkommen leer war, herrschte eine Atmosphäre erdrückender Enge.
    Ich trat ans Fenster an der Stirnseite des Raums und starrte nach unten auf den belebten Kleinseitner Ring. »Wenn er vom Schlösseraufbrechen auch nicht viel versteht, so muss dein Einbrecher zumindest ein exzellenter Fassadenkletterer gewesen sein.«
    »Oder er konnte fliegen.«
    »Sie«, korrigierte ich Felix, und begann die Schilderung unserer Wiener

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