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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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Man konnte förmlich sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete.
    »Aha«, schnaufte sie zuletzt. »Gut, gut. Wie überaus faszinierend.« Sie bereicherte ihren Tee um einen großzügigen Schluck Cognac. »Ich denke wohl, dass ich Ihnen behilflich sein kann, doch zunächst gilt es eine Grundvoraussetzung zu klären: Vertrauen Sie mir, Graf?«
    »Ich habe keinen Grund, es nicht zu tun«, antwortete er nach einem Moment der Stille.
    »Schön. Das muss mir genügen.« Ernst fuhr sie fort: »Vertrauen Sie auch dem Baron? Dessen Assistenz werde ich nämlich benötigen.«
    Lassen Sie mich aus dem Spiel, wollte ich dazwischenfahren, doch wenn wir diesen Fall lösen wollten, so war es an der Zeit, über persönliche Empfindungen hinwegzusehen.
    Felix lachte heiser. »Aber ja. Der Baron ist ein Ehrenmann. Mein Leben liegt in seinen Händen.«
     
     
    Schweigend warteten wir, bis Mrs Everett Lysander zurück in den Salon begleitet und ihre Requisiten eingesammelt hatte.
Nun versperrte sie die Tür und wies mich an, die Vorhänge zu schließen. Sodann legte sie einen Wandspiegel mittlerer Größe auf einen runden Tisch und arrangierte um diesen ein paar getrocknete weiße Rosen und Kerzen.
    Skeptisch betrachtete ich das Stillleben.
    »Der Wert der Symbolik in der Magie ist kaum zu unterschätzen«, erklärte sie geheimnisvoll und hielt Felix ein Tarotspiel entgegen. »Wenn Sie eine Karte ziehen würden, Graf Trubic?«
    Er tat wie geheißen. »Der König der Schwerter«, verlas er.
    Mrs Everett runzelte die Stirn. »So? Ich hätte Sie eher als Ritter der Stäbe gesehen. Wie dem auch sei. Bitte tun Sie nun das Folgende: Sie bleiben hier ruhig sitzen, schließen die Augen und konzentrieren sich auf das, woran Sie sich zu erinnern meinen.« Sie reichte ihm eine dünne Silberkette. »Halten Sie sich daran fest. Sie, Baron, nehmen das andere Ende. Und die Karte. Konzentrieren Sie sich auf die Karte.«
    Ich sah sie fragend an.
    »Symbolik«, erklärte Agatha Everett. »Sie fungieren als sein Anker. Von entscheidender Bedeutung, falls Sie, Graf Trubic, zu jenen Personen gehören, die sich leicht außerhalb ihrer selbst versetzen können.«
    »Ich denke nicht«, warf Felix trocken ein.
    »Bitte.« Mrs Everett hob eine Hand. »Sind Sie bereit? Können wir beginnen?«
    Ich nickte stumm.
    »Ja«, rief Felix eine Spur zu laut aus.
     
     
    Während Felix zu meditieren schien und ich den Anker am Silberkettchen spielte, hatte Mrs Everett begonnen, auf dem Boden die Tarotkarten aufzulegen. Dabei murmelte sie in einer klangvollen, mir jedoch unbekannten Sprache. (Wenigstens vermutete ich, dass es sich um eine herkömmliche Sprache und
keine Kreation ihrer offenkundig überreichen Phantasie handelte.) Eine Weile musterte sie die Kartenformation auf dem blankpolierten Parkett, ehe sie sich schwerfällig erhob und hinter Felix trat. Er regte sich nicht, als sie beide Handflächen erst gegen seine Wangen, dann gegen seine Schläfen presste und dabei einen wunderlichen Gesang, wieder in der fremdartigen Sprache, anstimmte.
    Die Kerzen flackerten; einen endlosen, irrwitzigen Augenblick erwartete ich beinahe Buckingham – oder eine noch weit unerfreulichere Kreatur – durch den Spiegel treten zu sehen.
    Agatha Everett sang weiter.
    Nichts geschah.
    Ich senkte den Blick zum ersten Mal seit dem Beginn unseres lachhaften Rituals auf die Karte in meiner Hand. Mein Wissen um das Tarot war bestenfalls als oberflächlich zu bezeichnen, und beschränkte sich zudem auf die Karten von Marseille: So war es nicht verwunderlich, dass mir dieser König der Schwerter fremd war. Anders als die bunten, stilisierten Figuren des Marseiller Tarots war diese Zeichnung mit Sorgfalt und Liebe zum Detail gefertigt worden: Der König, ein schmaler, blasser Mann, die Lippen zu einem ironischen Lächeln verzogen, saß nachlässig auf seinem steinernen Thron, einen schweren Zweihänder auf den Knien. Im Hintergrund zeichneten sich vor dunklem Gewitterhimmel die Schemen einer Festung ab, die – wie ich nach näherer Betrachtung feststellte – der Burg zu Prag nachempfunden sein musste. Kühn ragten die Türme von St. Veit, des Ewigen und Unvollendeten, über gedrungene Mauern; und dort, am Fuße des Hügels, glänzte die Moldau in der Abendsonne, glänzte in Rot und Gold, ein wenig heller nur als das wilde Haar des Königs.
    Ich schrak zurück. Beinahe hätte ich die Karte fallen gelassen  – ich hätte schwören können, dass der König der Schwerter bis vor einem

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