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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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Promenade entlangschlenderten – dieselbe Promenade, wo einst mein Freund Felix Trubic einen Schwan gefangen und seine Seele verkauft hatte.

     
     
    Das Hausmädchen mit adrettem weißem Häubchen führte uns in den von einer enormen Volière dominierten Salon. Während wir auf die Hausherrin warteten, trat ich an den Vogelkäfig. Zu meiner Befremdung saß dort lediglich ein einzelner, noch dazu ausgesprochen unansehnlicher Graupapagei, der uns aufmerksam beobachtete. Halblaut tat ich meine neu entdeckte Abneigung gegenüber allem, was Gefieder und Flügel trug, kund. Was Felix zum Anlass nahm, Freundschaft mit dem elenden Vogel zu schließen, indem er dem Papagei ein Konfektstück aus der Schale am Couchtisch anbot. Das Tier zögerte einen Moment, krächzte und schlug seinen Schnabel in seinen Daumen.
    »Marzipan kann er nicht leiden«, erklang eine Stimme von der Tür. Dort stand Mrs Everett, die Arme verschränkt, den kleinen Kopf schiefgelegt. »Sie sollten es mit Nussbäckerei versuchen.«
    Felix lächelte gequält, während wir die Begrüßungsformalitäten abwickelten. Erst als sie sich Lysander zuwandte, wich Mrs Everetts indifferente Höflichkeit einer großen Herzlichkeit. Die nun folgende, rasche Konversation in Englisch – einer Sprache, die fließend zu erlernen ich niemals für notwendig erachtet hatte, zumal Lysander exzellent Deutsch beherrschte, und sich, seit er mit mir nach Prag gekommen war, nach Kräften bemühte, sich Böhmisch anzueignen – bot mir Gelegenheit, Mrs Everett eingehender zu mustern.
    In ihrer Jugend, hieß es, sei sie eine aufregende Schönheit gewesen, der manch hochwohlgeborener Jüngling bis zur Raserei verfallen war. Vom Glanz jener fernen Tage war nicht viel mehr geblieben als ein auffallend blasser, feiner Teint und beinahe bernsteinfarbene Augen – die sie jedoch mit zu viel Schminke zur Geltung brachte. Das bequeme Leben nach ihrer späten Eheschließung mit dem ehrenwerten Konsul Everett (der großen und einzigen Liebe ihres Lebens, hatte mir Lysander
versichert) hatte seinen Tribut gefordert, so dass ihre Figur mittlerweile frappant einem Bierfass ähnelte. Auch war sie nicht eben vorteilhaft in ein Hauskleid mit entschieden zu vielen Rüschen gekleidet, über dem sie nach Bäuerinnenart ein grobes Schultertuch trug.
    »Ich bitte Sie um Verzeihung, meine Herren«, wechselte sie schließlich wieder in nahezu fehlerloses Deutsch. »Aber es ist so selten, dass alte Freunde aus der Heimat mich hier besuchen.«
    »Und nun sind wir auch nur erschienen, weil wir deiner Hilfe bedürfen«, neckte sie Lysander, ohne auf ihren gekränkten Ton einzugehen.
    »Ich wusste es! Ich wusste es!« Mrs Everett klatschte in die fleischigen Hände, was den Papagei dazu veranlasste, aufgeschreckt in seinem Käfig herumzuflattern. Unmelodisch, doch vergnügt krächzte er ein paar Takte eines englischen Volkslieds und ließ sich schließlich wieder auf seiner Stange nieder.
    »Wir hatten über Weihnachten einen von James’ Cousins zu Gast. Nach dem Genuss einer Karaffe Brandy setzte er sich in den Kopf, den Vogel traditionelles Liedgut zu lehren. Sie hätten die beiden Amazing Grace im Duett singen hören müssen! Es war außergewöhnlich.« Agatha Everett lachte; Felix, ein Taschentuch um seinen blutenden Daumen gewickelt, zwinkerte mir in vielsagender Manier zu.
    »Doch nun kommen Sie.« Mrs Everett winkte mit einem Zipfel ihres Schultertuchs. »Wir wollen in die Bibliothek gehen, dort können wir uns in Ruhe unterhalten.«
     
     
    Ich weiß nicht, was ich mir von der Everett’schen Bibliothek erwartet hatte – freilaufende Affen, eine Sammlung schwarzmagischer Literatur, den Duft von Räucherwerk? Jedenfalls muss ich gestehen, dass die banale Normalität des Raums
mich geradezu enttäuschte. Vorsichtig nahm ich auf einem der zierlichen Biedermeiersessel Platz. Mit großer Selbstverständlichkeit hob Mrs Everett Lysander auf den Diwan. Das Dienstmädchen erschien und servierte Tee, Cognac sowie einen unförmigen, aber köstlich duftenden Kuchen.
    Agatha Everett wartete ab, bis die Tür verschlossen und die Schritte am Gang verhallt waren, ehe sie unverblümt fragte: »Und was genau hat Sie nun zu mir geführt, meine Herren?«
    Eine umständliche Viertelstunde folgte, in der Felix in kunstvoll verschlungener Weise (gelegentlich unterbrochen von Lysander) unser Ansinnen darlegte. Ich, unruhig in der Rolle des schweigenden Zuschauers, beobachtete die beredte Mimik von Mrs Everett:

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