Des Teufels Maskerade
behelligen. Ich hielt es für wenig wahrscheinlich, dass er abermals Hals über Kopf die Flucht angetreten hatte, nachdem er mit uns aus Wien zurückgekehrt war.
»Aber der gnädige Herr Sutcliffe badet«, warf Pavel ein, hatte er doch in bitteren Lektionen gelernt, wie leicht es war, Lysanders Groll auf sich zu ziehen, wenn man wagte, sein ausgedehntes morgendliches Bad zu stören. »Und der junge Herr Mirko könnte sich weiß Gott was angetan haben – wozu er wohl den Degen gebraucht haben mag?« Kopfschüttelnd verließ er den Salon.
Ich schenkte ihm keine Beachtung mehr; stattdessen wandte ich mich an Felix. »Unsere gestrige Unterhaltung …«
»Wenn du auf die Zurschaustellung deiner medizinischen Halbbildung anspielst«, unterbrach er mich gelangweilt, »so würde ich dich bitten, mich in Frieden zu lassen.« Nachdem er sich gründlich umgesehen hatte, trat er an den Tisch. »Du bist ein trauriger Fall, Dejan. In, was – bald neun Jahren! –, hast du nicht einen Versuch unternommen, dein Wohnzimmer umzudekorieren?
Sogar den alten Säbel hast du behalten. Es wundert mich, dass du ihn damals aus Sarajevo überhaupt mitgenommen hast.« Prüfend wog er den Degen in seiner Rechten, deutete einen Ausfall an. »Halt!« Mit der Säbelspitze wies er auf ein nichtssagendes, aber gefälliges Aquarell, das ich vor Jahren in Wien erworben hatte. »Wenigstens dies Bildchen hier wurde seit meinem letzten Besuch dem Haushalt hinzugefügt.«
Vorsichtig platzierte er die Waffe wieder auf dem Tisch.
»Und natürlich, der junge Herr Mirko «, fuhr er nach einer Pause fort. »Lili wusste mir schon ein wenig von ihm zu erzählen. Mein armes Mädchen war doch tatsächlich der Ansicht, er wäre ein bisschen in sie verschossen.« Ein winziges, böses Grinsen huschte über seine Lippen. »Könnte das denn die Möglichkeit sein?«
Ich krallte meine Hände ineinander, und tat auch so alles, nur um nicht in die Verlegenheit zu geraten, eigenhändig das Lebenslicht von Felix Graf Trubic zu löschen. Die Mordwaffe lag schon bereit.
Lysander, der tropfnass, doch frohgemut in den Salon hoppelte, enthob mich der Notwendigkeit einer Antwort. Ein Grußwort auf den Lippen, sprang er auf seinen angestammten Sessel, stützte sich mit den Vorderpfoten an der Tischkante ab. »Wie erfreulich für uns alle, dass Sie so bald etwas Zeit für uns erübrigen konnten«, verkündete er. »Was für eine überaus interessante Tischdekoration sich Pavel heute hat einfallen lassen. Wir feiern doch nicht etwa den Jahrestag einer bedeutsamen Schlacht, derer ich mich nicht mehr entsinne?«
Wie auf Kommando erschien Pavel, deckte sauberes Kaffeegeschirr auf, bedachte mich mit einem griesgrämigen Blick und verschwand wieder.
Felix setzte sich zu Lysander an den Tisch und lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Es ist kurios«, teilte er uns im Plauderton mit. »Kurios vor allem, weil ich den Vorfall so viele Jahre vergessen hatte. Erst Ihr Telegramm rief ihn mir wieder ins Gedächtnis.«
Die Art, wie er über seinen Hut strich, erinnerte mich an Dr. Rosenstein – und damit an das ungeöffnete Telegramm. Hatte mir der Doktor nicht versprochen, mich über Fortschritte und Veränderungen im Fall Milena zu informieren?
Während Felix über mögliche Kinderträume und Kinderängste sprach, öffnete ich das Telegramm und überflog die kurze, nicht sonderlich erhellende Nachricht: »Keine neuen Erkenntnisse. Blum will sie überstellen lassen. Rosenstein.«
Überstellen – wohin? Gab es ein Zuchthaus für übernatürliche Kreaturen? Nacktes Grauen befiel mich bei dem Gedanken an ein Wesen, welches die Ewigkeit vor sich wusste; diese Ewigkeit gebunden und gefesselt in einer Zelle, aus der es kein Entrinnen gab, sinnend nach Vergeltung bis zum Jüngsten Gericht.
Lysander reckte neugierig den Hals, enthielt sich jedoch eines Kommentars zu meinem tadelnswerten Betragen, während Felix sich sardonisch erkundigte: »Keine schlechten Neuigkeiten, hoffe ich?«
»Nein, nein. Alles in bester Ordnung«, wehrte ich ab, indem ich das Telegramm nachlässig zerknüllte. »Bitte, möchtest du nicht fortfahren, uns deine Nicht-Erinnerungen darzulegen?«
»Nein, möchte er nicht«, sagte Lysander, ohne unseren Besucher weiter zu Wort kommen zu lassen. Felix blinzelte.
»Sehen Sie, nachdem ich etwas Zeit fand, die Sachlage zu überdenken, kam ich zu dem Schluss, dass das, woran Sie sich erinnern werden, mit höchster Wahrscheinlichkeit wertlos für uns sein
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