Des Teufels Novize
deutlich vor mir wie du. Doch nun können wir aufatmen.«
Der von ihm abgewandte Kopf fuhr rasch herum, und Meriet starrte ihn besorgt über die Schulter an. Das Flackern der grüngoldenen Augen war wie ein ganz kurzer Blitz, der energisch ausgelöscht wurde. Mit leiser, erschreckter Stimme sagte er: »Ja, Gott sei Dank! Und Dank sei Euch, Bruder!«
Cadfael empfand das Wort ›Bruder‹ wie einen pflichtschuldigen, verspäteten Nachgedanken, doch er freute sich trotzdem darüber. »Ich war unnütz, Ihr hattet recht. Ich… ich bin nicht gewöhnt an…« sagte Meriet lahm.
»Nein, Junge, wie solltest du auch? Ich bin mehr als doppelt so alt wie du, und ich legte im Gegensatz zu dir die Kutte erst spät an. Ich sah den Tod in vielen Gestalten, ich war Soldat und Seemann; im Osten, auf dem Kreuzzug, und noch zehn Jahre, nachdem Jerusalem gefallen war. Ich habe gesehen, wie Männer im Kampf getötet wurden. Und ich habe auch selbst Männer im Kampf getötet. Ich habe es nie genossen, daran kann ich mich wohl erinnern, doch ich schreckte auch nie davor zurück, denn ich hatte ein Gelübde abgelegt.« Neben ihm geschah etwas; er spürte, wie der junge Körper sich spannte und aufmerkte. Vielleicht war es die Erwähnung eines anderen als des mönchischen Gelübdes? Ein Gelübde, bei dem es um Leben und Tod ging? Cadfael gab weiter müßiges Geplauder von sich wie ein Fischer mit einer scheuen, gewitzten Beute vor der Leine. Er beschwichtigte Mißtrauen, weckte Interesse und entblößte, wie er es nur selten tat, die Jahre seines weltlichen Lebens. Das Schweigen, das der Orden in dieser Hinsicht gebot, durfte nicht seinen größeren Zielen im Weg stehen, denn eine Seele quälte sich am Rande des Gelöbnisses. Ein schwatzhafter alter Bruder, der sich über seine bewegte Vergangenheit ausließ, die ihn durch die halbe bekannte Welt geführt hatte – was konnte harmloser und entwaffnender sein?
»Ich war bei Robert von der Normandie, und ein bunter Haufen waren wir: Briten, Normannen, Flamen, Schotten, Bretonen – was du willst, alle waren dabei! Nachdem die Stadt befriedet und Baldwin gekrönt war, gingen die meisten in den nächsten zwei oder drei Jahren nach Hause, doch ich ging zur See und blieb dabei. An jenen Küsten wüteten Piraten, so daß wir immer zu tun hatten.«
Der junge Bursche neben ihm sog jedes Wort auf. Er zitterte wie ein junger, untrainierter Hund von edler Abstammung, der das Jagdhorn hört; doch er schwieg.
»Und am Ende kam ich heim, einfach, weil es das Heim war und weil ich es brauchte«, sagte Cadfael. »Ich diente eine Weile hier und dort als freier Söldner, und dann war ich reif, und es war Zeit. Aber ich war meinen Weg durch die Welt gegangen.«
»Und nun, was tut Ihr nun hier?« fragte Meriet.
»Ich ziehe Kräuter und trockne sie und mache Heilmittel für all die Kranken, die uns aufsuchen. Ich verarzte außer denen im Kloster noch viele andere Seelen.«
»Und das befriedigt Euch?« Es war ein verstümmelter Protestschrei; er wäre damit nicht zufrieden gewesen.
»Menschen heilen, nachdem ich sie lange Jahre verletzte?
Was könnte passender sein? Ein Mann tut, was er tun muß«, sagte Cadfael behutsam, »ob er nun die Pflicht übernommen hat zu kämpfen oder arme Seelen aus den Kämpfen zu retten; ob er tötet oder stirbt oder heilt. Viele werden dir sagen wollen, was deine Pflichten sind, doch es gibt nur einen, der die vielen Ansprüche bewerten und die Wahrheit finden kann. Und das bist du selbst, es ist dein Licht, das dir den Weg zeigen wird.
Weißt du, was mir von allem, das ich hier gelobte, am schwersten fällt? Gehorsam. Und ich bin alt.«
Und ich habe meine Runde gedreht, und es war wild, dachte er dazu. Und was will ich nun? fragte er sich. Ihn warnen, nicht zu früh zu verpfänden, was er nicht geben kann, was er gar nicht besitzt?
»Es ist wahr!« sagte Meriet unvermittelt. »Jeder Mann muß tun, was ihm auferlegt ist, und soll keine Fragen stellen. Ist das Gehorsam?« Und plötzlich wandte er sich zu Bruder Cadfael um; ein sehr junges, inbrünstiges und begeistertes Gesicht, als hätte er gerade, wie Cadfael es einst getan hatte, den Griff seines Dolches geküßt und sein Lebensblut einem Ziel verpfändet, das für ihn ebenso heilig war wie die Befreiung der Heiligen Stadt.
Cadfael dachte den ganzen Tag über Meriet nach, und nach der Vesper vertraute er Bruder Paul das Unbehagen an, das er bei der Erinnerung an das Unglück fühlte; Paul war bei den Kindern
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