Des Teufels Novize
Zimmer. Er erreichte die Lampe, und sein Docht flammte auf und brannte gleichmäßig und beleuchtete starrende Gesichter mit offenen Mündern und aufgerissenen Augen und die Balken hoch droben unter der Decke. Er wußte bereits, wo er den Störenfried finden konnte. Er schob die zur Seite, die ihm in den Weg stolperten, und trug seine Kerze in Meriets Zelle. Weniger zuversichtliche Seelen kamen schüchtern hinterher, umringten ihn und starrten und hatten Angst, zu nahe zu kommen.
Bruder Meriet saß kerzengerade im Bett, er zitterte und plapperte, die Hände in die Decke gekrallt, den Kopf zurückgeworfen und die Augen fest geschlossen. Das war einigermaßen beruhigend, denn wie schlimm er auch gequält wurde, er schlief noch, und wenn die Art seines Schlafes verändert werden konnte, mochte er unbeschadet erwachen.
Prior Robert stand jetzt hinter den Gaffern und zögerte nicht, die erste greifbare Schulter zu schütteln, um seinem Mißfallen einen handfesten Ausdruck zu geben. Cadfael legte vorsichtig einen Arm um Meriets gespannte Schultern und zog ihn an sich. Meriet schauderte, und sein verzweifeltes Weinen erstarb mit einem Glucksen. Cadfael stellte seine Kerze ab und legte dem jungen Mann die Hand auf die Stirn, um ihn sachte auf sein vergessenes Kopfkissen zurückzudrücken. Das haltlose Weinen hatte sich in das unsichere Wimmern eines Kindes verwandelt, und nun kam es immer zögernder und hörte ganz auf. Der steife Körper gab nach, entspannte sich und glitt ins Bett. Als Prior Robert neben das Bett trat, lag Meriet schon in seliger Unschuld tief im Schlaf, von seinem Quälgeist befreit.
Bruder Paul brachte ihn am nächsten Tag ins Kapitel, um Anleitung für die rechte Behandlung eines Menschen zu bekommen, der so eindeutig in schlimmem seelischem Aufruhr war. Paul hätte sich gern damit zufriedengegeben, den jungen Mann einen oder zwei Tage lang aufmerksam zu beobachten und von ihm zu erfahren, welche inneren Probleme einen solchen Alptraum erzeugt hatten, und besondere Gebete für seinen Seelenfrieden zu sprechen. Doch Prior Robert wollte keinen Aufschub. Gewiß, der Novize hatte am vergangenen Tag, als sein Gefährte verunglückte, ein schockierendes und erschreckendes Erlebnis gehabt; doch das galt auch für alle anderen, die im Obstgarten gearbeitet hatten, und keiner von ihnen hatte in der Nacht geheult und das ganze Dormitorium geweckt. Robert hielt solche Manifestationen, selbst wenn sie im Schlaf geschahen, für willkürliche Äußerungen des Selbst, die durch einen tief im Leib sitzenden, hartnäckigen Dämon angeregt wurden, und am besten könnte man das Fleisch durch die Geißel vom Teufel befreien. Bruder Paul war gegen eine unmittelbare Züchtigung. Also mußte der Abt entscheiden.
Meriet stand mit niedergeschlagenen Augen und gefalteten Händen mitten im Kapitelsaal, während sein unbeabsichtigter Frevel vor seinen Ohren diskutiert wurde. Er war wie die anderen, die nach der Störung ihren Frieden wiedergefunden und weitergeschlafen hatten, am Morgen erwacht. Die Glocke, die zur Morgenmette rief, hatte ihn geweckt, und da auf dem Weg über die Treppe in die Kirche alle geschwiegen hatten, wußte er nicht den Grund dafür, daß sich so viele Augen besorgt auf ihn richteten, und er wußte nicht, warum seine Gefährten so ängstlich darauf bedacht waren, ihm nicht zu nahe zu kommen. Das hatte er gesagt, als er schließlich über sein Fehlverhalten aufgeklärt wurde, und Cadfael hatte ihm geglaubt.
»Ich bringe ihn vor Euch; nicht als einen, der bewußt eine Schuld auf sich geladen hat«, sagte Bruder Paul, »sondern als einen, der eine Hilfe braucht, die ich allein nicht zu geben vermag. Es ist wahr, wie Bruder Cadfael uns erklärte – ich selbst war gestern nicht dabei –, daß der Unfall unseres Bruders Wolstan uns alle erschreckte, und Bruder Meriet kam ohne Vorwarnung dazu und erlitt einen schweren Schock, als er fürchtete, daß der arme junge Mann tot sei. Es mag sein, daß dies allein in seinem Geist haften blieb und als Traum wiederkam und seinen Schlaf störte; in diesem Fall wäre nichts weiter nötig als Ruhe und Gebet. Ich bitte um Anleitung.«
»Wollt Ihr mir sagen«, fragte Abt Radulfus, indem er nachdenklich die ergebene Gestalt vor ihm betrachtete, »daß er die ganze Zeit über geschlafen hat? Nachdem er das ganze Dormitorium weckte?«
»Er schlief die ganze Zeit«, sagte Cadfael fest. »Ihn in diesem Zustand wachzurütteln, hätte ihm großen Schaden zufügen können,
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