Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Teufels Novize

Des Teufels Novize

Titel: Des Teufels Novize Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
Stunden nach der Komplet das einzige Licht von der kleinen Lampe, die über der schmalen Treppe zur Kirche brannte, und die einzigen Geräusche waren das gelegentliche Seufzen eines Schläfers, der sich umdrehte, oder das unbehagliche Sichregen eines schlaflosen Bruders. Am Ende des großen Raumes hatte Prior Robert seine Zelle, von der aus er die ganze Länge des offenen Flures zwischen den beiden Zellenreihen überblicken konnte. Es hatte Zeiten gegeben, da einige der jüngeren Brüder, denen der alte Adam noch nicht ganz ausgetrieben war, sehr erfreut über den gesunden Schlaf des Priors waren.
    Manchmal war auch Cadfael aus Gründen, die er für berechtigt genug hielt, über die kleine Treppe hinausgeschlüpft. Seine ersten Begegnungen mit Hugh Beringar, bevor der junge Mann seine Aline gewonnen und sein Amt erworben hatte, hatten nachts stattgefunden und ohne Ausgang. Und er hatte es nie bereut! Was Cadfael nicht bereute, fiel ihm bei der Beichte kaum noch ein. Hugh war ihm damals ein Rätsel gewesen; ein ehrgeiziger junger Mann, der Freund oder Feind sein konnte.
    Später besiegelte Beweis auf Beweis ihre Freundschaft, und nun war er sein engster und teuerster Freund.
    In der Stille der Nacht nach der Apfelernte lag Cadfael wach und dachte ernsthaft nach; nicht über Hugh Beringar, sondern über Bruder Meriet, der mit so verzweifeltem Entsetzen vor dem erdolchten Mann im Gras zurückgefahren war. Der verletzte Novize lag jetzt schlafend im Bett, drei oder vier Zellen von der Meriets entfernt; vielleicht fand er mit seinen angekratzten und wunden Rippen keine rechte Ruhe, doch er gab kein Geräusch von sich; schlief er wohl doch tief und fest. Ob Meriet nur halb so gut schlief? Und wo hatte er schon einmal einen toten Mann in seinem Blut gesehen, oder warum sonst hatte der Anblick ihn so erregt?
    Die Stille war nun, mehr als eine Stunde vor Mitternacht, umfassend und tief. Selbst die unruhigen Schläfer ruhten friedlich. Die Jungen schliefen auf Anordnung des Abtes von den älteren Brüdern getrennt in einem kleinen Zimmer am Ende des Dormitoriums, und Bruder Paul bewohnte die Zelle, die ihren Raum abschirmte. Abt Radulfus kannte und verstand die unverhofften Gefahren, die zölibatären Seelen, wie unschuldig sie auch waren, im Hinterhalt auflauerten.
    Bruder Cadfael schlief und schlief doch nicht, wie er es so viele Male im Lager und auf dem Schlachtfeld oder unter den Sternen des Mittelländischen Meeres, in seine Seemannsdecke gehüllt, getan hatte. Sein Vortrag hatte ihn in den Osten und die Vergangenheit zurückgeführt, und nun wappnete er sich selbst dort vor Gefahren, wo sicherlich keine drohen konnten.
    Der Schrei durchbrach schrill die Dunkelheit und die Stille, als hätten zwei dämonische Hände mit roher Gewalt den Schlaf aller Brüder und das Gewebe der Nacht selbst zerfetzt. Er hob sich zum Dach und flatterte heulend zu den Deckenbalken hoch, von denen Echos wie flatternde Fledermäuse zurückhallten. Es waren Worte, doch nicht zu verstehen; ein Geplapper und Geraune wie eine Verwünschung, unterbrochen von schluchzenden Pausen zum Atemholen.
    Cadfael war schon aus dem Bett, ehe der Schrei seinen Höhepunkt erreichte, und tastete sich durch den Gang in die Richtung, aus der er kam. Inzwischen waren alle erwacht, er hörte aufgeregte Stimmen murmeln und das fiebrige Plappern von Gebeten; und Prior Robert verlangte träge und schläfrig zu wissen, wer es wagte, die Nachtruhe zu stören. Hinter Bruder Pauls Zelle fielen Kinderstimmen in die Kakophonie ein; die beiden Jüngsten waren aufgefahren und brüllten ihre Angst heraus. Kein Wunder – noch nie war ihr Schlaf so grob gestört worden, und der jüngste war kaum sieben Jahre alt. Paul stürmte aus der Zelle und eilte, sie zu trösten. Der Lärm und das Klagen gingen weiter, laut und schmerzlich, abwechselnd drohend und bedroht. Heilige im Streit mit Gott. Mit wem stritt aber diese grimmige, gewaltige Stimme? Gegen wen redete sie, und in welcher Sprache von Schmerz und Zorn und Trotz?
    Cadfael hatte seine Kerze mit hinaus genommen und wollte sie an der Lampe über der Treppe entzünden. Er drängte sich durch die bebende Dunkelheit und schob einige ziellos irrende, aufgeregte Körper, die im Gang herumstolperten und ihm den Weg versperrten, zur Seite. Der Lärm, die Flüche und das Klagen, immer noch in der unzusammenhängenden Sprache des Schlafs, hämmerten ihm die ganze Zeit in die Ohren, und die Kinder heulten erbärmlich in ihrem kleinen

Weitere Kostenlose Bücher