Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Teufels Novize

Des Teufels Novize

Titel: Des Teufels Novize Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
stahl. Beschwerden über Diebstähle aus den Scheunen außerhalb der Mauern gelangten bis zum Stadtvorsteher und zur Burg; man hörte von Geflügel, das am Rande der Klostersiedlung aus den Ställen der Freisassen gestohlen worden war, und zwar nicht von Füchsen oder anderen Raubtieren. Einer der Wäldler aus dem Großen Wald hatte vor einem Monat von einem ausgeweideten Hirsch berichtet – Beweis genug, daß der Wilderer im Besitz eines guten Messers war. Nun trieb die Kälte irgend jemand, der in der Wildnis lebte, näher an die Stadt, wo er die Nächte in einem warmen Stall oder einer Hütte verbringen konnte, statt in den kahlen Wäldern.
    König Stephen hatte seinen Sheriff aus Shropshire abgezogen und ihn nach dem am Michaelistag fälligen Rechenschaftsbericht den Herbst über in seiner Umgebung behalten. Er hatte ihn mit sich genommen, damit er nun dem Baron von Chester und William von Roumare in Lincoln kalkulierte Artigkeiten sagen konnte; und so lag das Problem dieses Hühnerdiebs zusammen mit allen anderen Verstößen gegen den Frieden und die Ordnung des Königs in Hughs Händen. »Auch gut!« sagte Hugh. »Denn ich wollte mir das Rätsel um Clemence ohnehin ungestört selbst vornehmen, da es nun schon so weit gekommen ist.«
    Er war sich wohl bewußt, daß ihm nicht viel Zeit blieb, um die Angelegenheit allein zu Ende zu bringen, denn der König wollte zu Weihnachten zurück in Westminster sein, und wenige Tage später würde der Sheriff in seine Grafschaft zurückkehren.
    Die Aktivitäten des wilden Mannes schienen sich auf den östlichen Saum des Waldes zu konzentrieren – jene Gegend, die bereits aus einem völlig anderen Grund Hughs Interesse geweckt hatte.
    In einem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land, in dem Recht und Gesetz keinen guten Stand hatten, wurde alles Unerklärliche Vogelfreien zugeschrieben, die in der Wildnis lebten; und hin und wieder ist die einfachste Erklärung auch die richtige. Hugh hatte in diesem Fall keine derartigen Erwartungen, und er war höchst überrascht, als einer seiner Unterführer triumphierend einen Dieb, der sich auf Kosten der unvorsichtigen Bewohner der Klostersiedlung ernährt hatte, in die Wache der Burg brachte. Hugh war nicht wegen des Mannes selbst überrascht, der mehr oder weniger das war, was man erwartet hatte, sondern wegen des Dolches und der Scheide, die bei ihm gefunden worden waren und als Beweis für seine Missetaten übergeben wurden. Man fand sogar Spuren von getrocknetem Blut in der gekehlten Klinge, zweifellos vom Huhn oder von der Gans eines anderen.
    Es war ein sehr eleganter Dolch mit ungeschliffenen Edelsteinen im Griff und so geformt, daß er bequem in der Hand lag; die in gegerbtes Leder gekleidete Metallscheide war von einem Feuer geschwärzt und verfärbt, das Leder von der Spitze an bis zur halben Höhe abgerissen. Ein schmaler Lederstreifen hing noch daran. Hugh hatte die Schlaufe bzw. deren Schwester gesehen, an der die Scheide hätte hängen sollen.
    Er drehte in der kahlen Wache den Kopf zum Vorraum herum und sagte: »Bringt ihn herein.« Hier drinnen brannte ein gutes Feuer, und es gab eine Bank, auf der man sitzen konnte.
    »Nehmt ihm die Ketten ab«, sagte Hugh nach einem Blick auf das, was einmal ein großer Mann gewesen war, »und laßt ihn am Feuer sitzen. Paßt auf ihn auf, doch ich bezweifle, daß er irgendwelche Schwierigkeiten macht.«
    Der Gefangene hätte eine imposante Gestalt sein können, wenn er noch Fleisch und Sehnen auf den langen, groben Knochen gehabt hätte; doch er war vom Hunger geschrumpft und trug trotz des beginnenden Winters nichts als Lumpen am Leib. Er konnte noch nicht alt sein; seine Augen und seine vollen hellen Haare waren die eines jungen Mannes, und seine Knochen, so sehr sie auch aus seinem Fleisch hervorstanden, bewegten sich mit der Energie der Jugend. Dicht am Feuer, nach der grimmigen Kälte erwärmt, bekam er Farbe und schien sich auszudehnen, bis er fast seine frühere Größe wiedererlangte. Doch sein Gesicht, blauäugig und hohlwangig, starrte Hugh in stummem Schrecken an. Er war wie ein wildes Tier in der Falle, gespannt und wachsam, nach einem Schlupfloch Ausschau haltend. Er rieb sich unablässig die Handgelenke, die gerade von den schweren Ketten befreit worden waren.
    »Wie heißt du?« fragte Hugh so freundlich, daß der Mann erschrocken erstarrte; er hatte Angst, einem solchen Tonfall zu trauen.
    »Wie wirst du von anderen Männern gerufen?« wiederholte Hugh

Weitere Kostenlose Bücher